Page - 273 - in Digitale Datenbanken - Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
Image of the Page - 273 -
Text of the Page - 273 -
Techno-Logik 273
gramm, welches die Entwicklung semantischer Technologien insbesondere auch im
Bereich des Semantic Web zum Ziel hat, sowie das von der Europäischen Union
geförderte LOD2-Projekt, dessen Motto »Creating Knowledge out of Interlinked
Data« (LOD2 2010) lautet.112 Auf der anderen Seite wurde das Semantic Web von
Kultur- und Medienwissenschaftlern einer zum Teil heftigen Kritik unterzogen
(vgl. Shirky 2003, 2005; Cramer 2007; Weinberger 2008). Die vorgebrachten Ein-
wände richten sich weniger auf konkrete Anwendungsszenarien, sondern beziehen
sich grundlegender auf die Vision des Semantic Web im Allgemeinen. Mit dem Hin-
weis auf die soziale Konstruktion von Bedeutung und die Interpretationsoffenheit
von Information wird angezweifelt, dass der Sinn von Internetinformationen
durch Metainformationen eindeutig expliziert und so fĂĽr die computertechnische
Verarbeitung aufgeschlossen werden kann. Diese Kritik ist jedoch nicht unpro-
blematisch, da jenseits des öffentlichkeitswirksamen Plädoyers für ein Semantic
Web durch Tim Berners-Lee weithin umstritten ist, was das semantische Netz
eigentlich genau sein soll. In dem 2008 erschienenen Semantic Web Primer ver-
zeichnen die Autoren zwei teilweise gegenläufige Vorstellungen bzw. Entwicklungs-
richtungen. Einerseits wird das Semantic Web als Datenweb verstanden und damit
als spezifischer Teilbereich des WWW, wohingegen es andererseits als Versuch
betrachtet wird, das Web insgesamt durch semantische Technologien zu verbessern,
wie z.B. durch die Entwicklung von semantischen Suchmaschinen (vgl. Antoniou/
van Harmelen 2008: 245f.).
In Anbetracht der Heterogenität des Semantic Web läuft die medien- und kul-
turwissenschaftliche Kritik an diesem Web teilweise ins Leere. Die formulierten
Bedenken richten sich gegen eine abstrakte und vielgestaltige Utopie, die erst
langsam konkrete Konturen annimmt (vgl. Pellegrini 2008). Infolgedessen kann
jeder prinzipielle Einwand mit dem berechtigten, aber auch problematischen Hin-
weis entkräftet werden, dass die Kritik auf einem falschen Bild des Semantic Web
beruhe (vgl. Van Dijck 2003; Hendler 2008; Antoniou/van Harmelen 2008: 247).
Dennoch wäre es falsch, die von David Weinberger (2002, 2008), Clay Shirky (2003,
2005) und Florian Cramer (2007) gegenĂĽber dem Semantic Web formulierten
Bedenken leichtfertig zu ignorieren. Auch wenn ihre Argumentationen angreifbar
sind, insofern sie sich auf das Semantic Web im Allgemeinen beziehen, kann ihre
Kritik als Warnung vor einer Entgrenzung des Semantic Web verstanden werden.
Drei eng miteinander zusammenhängende Dimensionen einer solchen Entgrenzung
lassen sich unterscheiden:113 die Universalisierung von Ontologien hin zu einem ein-
deutigen und allgemein gĂĽltigen Weltmodell; der Versuch, den Sinn aller digitalen
112 | Nähere Informationen zu den Zielen des Projekts und deren derzeitige
Umsetzung finden sich auf der Webseite lod2.eu.
113 | Es wird an dieser Stelle nicht behauptet, dass die BefĂĽrworter des Semantic
Web diese als Entgrenzungen charakterisierten Ziele verfolgen und an deren Um-
setzbarkeit glauben. Vielmehr soll anerkannt werden, dass die abstrakte Idee eines
semantischen Web die Gefahr birgt, dementsprechend verstanden zu werden.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242