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Techno-Logik 277
»The real trick with owl:sameAs is that it works both ways: as it is both symmetric and
transitive, so that anyone can link to your data-set with owl:sameAs from anywhere
else on the Web without your permission, and any statement they make about their
own URI will immediately apply to yours.« (Halpin/Hayes 2010)
Die formale Semantik des owl:sameAs-Prädikats abstrahiert Informationen von
ihrem Entstehungskontext und suggeriert, dass die im Web of Data publizierten
Informationen kontextunabhängig gültig sind. Explizit wird diese Annahme in der
Interpretation von RDF-Tripeln, die als Fakten und nicht als Behauptungen begrif-
fen werden: »OWL semantics treat RDF statements as facts rather than as claims
by different information providers« (Heath/Bizer 2011: 23). Das Abstrahieren vom
Entstehungs- und Publikationskontext einer Information stellt ein Problem dar, das
in der Linked Open Data-Gemeinschaft zu einer »significant uncertainty« (Heath/
Bizer 2011: 23) geführt hat. Zur Lösung des Problems geben Tom Heath und Chrstian
Bizer in ihrer Monographie Linked Data: Evolving the Web into a Global Data Space
Folgendes zu bedenken: »[K]eep in mind that the Web is a social system and that
all its content needs to be treated as claims by different parties rather than as facts«
(Heath/Bizer 2011: 23). Mit diesem Hinweis vermögen die Autoren die konstatierte
Unsicherheit nicht auszuräumen, sondern gestehen allenfalls ein, dass sich die in
der Interpretation von owl:sameAs-Links und RDF-Tripeln eingeschriebene Idee
des Web of Data als einem Netz reiner Information an der sozialen Praxis bricht.
Dieses Spannungsverhältnis von Theorie und Praxis kann exemplarisch an
zwei Problemen des Gebrauchs von Identitäts-Links aufgezeigt werden. Erstens er-
möglicht die symmetrische und transitive Interpretation des owl:sameAs-Prädikats
die gezielte Manipulation der Informationen, welche von unterschiedlichen Nut-
zern mit einer Ressource in Verbindung gebracht werden. Anders gewendet: Das
Web of Data basiert auf der impliziten Annahme, dass alle Mitwirkenden wahre
Informationen zur VerfĂĽgung stellen bzw. dass sie dies zumindest anstreben. FĂĽr
Bullshit, der sich nach Ansicht des Philosophen Harry Frankfurt (2006) durch die
Indifferenz gegenĂĽber der Wahrheit von Aussagen auszeichnet, ist im Web of Data
demzufolge kein Platz.120 Das zweite Problem besteht in der uneindeutigen Ver-
wendung des owl:sameAs-Prädikats, die dessen formaler Definition zuwiderläuft.
Wie Halpin und Hayes in When owl:sameAs isn’t the Same aufzeigen, wird dieses
Prädikat in der Praxis dazu verwandt, um unterschiedliche Identitäts- und Ähn-
lichkeitsbeziehungen zwischen Ressourcen auszudrĂĽcken, die logisch nicht
äquivalent sind. Hinsichtlich der formalen Definition von owl:sameAs stellt dies
120 | Eine Person redet Frankfurt zufolge immer dann Bullshit, wenn ihm bzw. ihr
egal ist, ob das Gesagte wahr oder falsch ist: »Der Bullshitter hingegen verbirgt vor
uns, daĂź der Wahrheitswert seiner Behauptung keine besondere Rolle fĂĽr ihn spielt.
[…] Es ist ihm gleichgültig, ob seine Behauptungen die Realität korrekt beschreiben.
Er wählt sie einfach so aus oder legt sie sich so zurecht, daß sie seiner Zielsetzung
entsprechen.« (Frankfurt 2006: 62f.)
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242