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Digitale
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Computers.4 In diesem Sinne oszillieren Datenbanken unentschieden zwischen
medialer Konstellation – oder genauer: Sammlung medialer Konstellationen – und
medialer Konfiguration. Denn Datenbanktechnologien eröffnen einen dreifachen
Möglichkeitsraum, nämlich die variable Präsentation, Selektion und Auswer tung
von gespeicherten Informationen. Durch digitale Datenbanken werden Informa-
tionen zu Medien fĂĽr Formbildungen, welche sich an und durch Benutzerschnitt-
stellen ausformen. Hierin liegt die funktionelle Offenheit von Datenbanken be-
grĂĽndet, welche als zentrales Gestaltungsprinzip bereits in den Entwurf der ANSI/
X3/SPARC-Datenbankarchitektur eingegangen ist. Das Ausgangsproblem, dem
sich die Study Group on Data Base Systems zuwandte, war die Vermittlung zwischen
der internen Speicherlogik des Computers (oder Speicherlogiken verschiedener
Computersysteme) und den vielfältigen Gebrauchslogiken ihrer Nutzer. Deswegen
wurden Datenbanktechnologien von Anfang an daraufhin entworfen, nicht nur
ein Benutzerinterface, sondern viele Interfaces zu haben, die einen je eigenen Blick
auf die Datenbank eröffnen und unterschiedliche Formen des Umgangs mit den
verfügbaren Informationen ermöglichen sollen. Technisch ist die Möglichkeit zur
Vervielfachung von Schnittstellen das Resultat der zunehmenden Entkopplung von
Informationen und Programmen, d.h. der technisch gestĂĽtzten Autonomisierung
digitaler Informationen:
»In the separation of data from programs, information becomes a quantity that is
not only universal (it can be used by several programs) but also polyvalent (it can
be put to several uses), data become morphological, capable of being instituted in
multiple ways.« (Thacker 2006: 108)
Die Weise der Präsentation von Datenbankinformationen sowie die Verkörperung
von Datenbanken als Datenbanken an der Benutzeroberfläche sind optional, d.h.
Datenbanken und die in ihnen gespeicherten Informationen können stets auch
anders zur Erscheinung kommen. Das Interface tritt zu den Informationen hinzu,
gibt diesen eine Form und strukturiert den Umgang mit ihnen. Den Informationen
aus der Datenbank wird durch die Benutzerschnittstelle eine Form aufgepfropft.5
Zur Erscheinung kommen – paradox formuliert – informierte Informationen. In
dieser Hinsicht erweist sich das im Kapitel »Datenbankmodelle« (S. 221ff.) heran-
gezogene Konzept der symbolischen Form als problematisch, um mediale Praktiken
mit Datenbanken zu beschreiben. Cassirers Betrachtung symbolischer Formen zielt
darauf ab, historisch wandelbare, aber relativ stabile Erkenntnisformen freizulegen
4 | Diese Formulierung ist an Luhmanns Medium/Form-Unterscheidung angelehnt,
welche im Kapitel »Medium« (S. 62ff.) ausführlich diskutiert wurde. Jedoch können
Datenbankinformationen zugleich als Medium und als Form begriffen werden – eine
Möglichkeit, die Luhmann eigentlich nur dem allgemeinen Medium Sinn zuschreibt
(vgl. Luhmann 1995: 174).
5 | Zur Logik der Pfropfung siehe Wirth (2006a, 2011b, a).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242