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PhÀnomeno-Logik 289
und als Imperativ ĂŒberlagert die Datenbank, welche als latente Infrastruktur in den
Hintergrund tritt.
Obwohl Formulare als eine zentrale Form der PrÀsentation von und des Um-
gangs mit Datenbankinformation betrachtet werden können, eröffnen diese keinen
unvermittelten oder sogar privilegierten Blick auf die Datenbank in der unsicht-
baren Tiefe des Computers. Zwar wiederholen Formulare die abstrakte Logik der
Segmentierung von Informationen und der Attribuierung von Bedeutung an der
BenutzeroberflÀche, doch sie können die logische und physische Gesamtstruktur des
Informationsbestands in der Tiefe des Computers auch maskieren. Die PrÀsentation
von Datenbankinformationen als Formular basiert eben auch auf einer Ăberset-
zung zwischen OberflÀche und Tiefe, die zumeist nicht nur selektiv ist, sondern auch
etwas auf dem Bildschirm zur Erscheinung bringen kann, was so nicht in der Daten-
bank gespeichert ist. Gibt die Anfrage an eine Personaldatenbank beispielsweise das
Alter eines Angestellten zurĂŒck, dann ist davon auszugehen, dass in der Datenbank
nicht eigentlich das Alter, sondern das Geburtsdatum einer Person gespeichert ist,
aus dem das momentane Alter abgeleitet und an der OberflÀche zur Darstellung
gebracht werden kann. Nur weil Datenbankinhalte an der OberflÀche in Form eines
Formulars (oder einer Tabelle) verkörpert werden, erhÀlt man keinen unverstellten
Blick auf die Datenbank. Einem Formular allein ist nicht anzusehen, wie genau
die Informationen in der Tiefe des Computers strukturiert sind. Es handelt sich
um eine mögliche Form, die Datenbankinformationen an der BenutzeroberflÀche
gegeben werden kann. In dieser VariabilitÀt besteht ein zentrales Charakteristikum
digitaler Datenbanken. Sie machen die in ihnen versammelten Informationen
auf unterschiedliche Weise nach auĂen anschlussfĂ€hig. Dementsprechend basiert
vieles, was Nutzer in und mit digitalen Medien im Allgemeinen und im Internet
im Besonderen tun und erfahren, auf digitalen Datenbanktechnologien, ohne dass
diese sich als Datenbank zeigen. Jeder Blog und die meisten zeitgenössischen Web-
seiten ebenso wie Web 2.0-Services beruhen auf Datenbanken, die im Hintergrund
operieren. WÀhrend die Architektur des WWW es ermöglicht hat, Dokumente in
einem globalen hypertextuellen Dokumentnetzwerk zu adressieren, machen Daten-
banken Informationen als Informationen adressierbar.
Löst der Hypertext die Einheit des Texts auf, dann lassen sich Datenbanken
als Radikalisierung von Hypertexten verstehen, da sie zudem mit der Einheit des
Dokuments brechen.9 Obwohl Hypertexte den einen Text in viele Texte segmen-
9 | Unter den Bedingungen digitaler Medientechnologien wird der Begriff des Doku-
ments, wie Buckland festgestellt hat, in zunehmenden MaĂe problematisch. Im
Strom digitaler Daten geht die materielle Einheit von Dokumenten verloren, weshalb
es einer erneuten Reflexion darĂŒber bedarf, was ein Dokument ist: »A conventional
document, such as a mail message or a technical report, exist physically in digital
technology as a string of bits, but so does everything else in a digital environment«
(Buckland 1997: 808). Zur KlÀrung der Frage schlÀgt er die Betrachtung der weithin
vergessenen Debatte um den Begriff des Dokuments vor, welche in der ersten HĂ€lfte
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen OberflÀche und Tiefe 73
- PhÀnomeno-Technische Konfigurationen 75
- SpielrÀume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: BegriffsklÀrung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen fĂŒr DatenunabhĂ€ngigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242