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Digitale
Datenbanken290
tieren, bleiben sie der formalen Materialität des Dokuments verhaftet.10 Der Logik
des Dokuments stellt die Datenbank die diskontinuierliche und diskrete Vielheit
von Datenbankeinträgen gegenüber. In dieser Vielheit besteht die Einheit des
Dokuments allenfalls als unbestimmter und nicht formalisierbarer Rest in Form
von Binary Large Objects, kurz: BLOBs, fort. An der Oberfläche erweist sich das
Dokument jedoch als ein möglicher Darstellungsmodus, welcher die Informations-
partikel aus der Datenbank in die formale Einheit eines Dokuments zusammenzieht
respektive sie als solche präsentiert.
Die Adressierbarkeit von digitalen Informationen eröffnet Alan Liu zufolge
einen »encoded or structured discourse« (2008: 209), für den die Transformier-
barkeit von Informationen, ihre autonome Mobilität und automatische Verarbeit-
barkeit charakteristisch ist (vgl. Liu 2008: 216). Auf Grundlage der strukturierten
Speicherung von Informationen in der Tiefe des Computers können Inhalt und
Form an der Oberfläche weitgehend losgelöst voneinander verändert werden. Auch
wenn sich die Datenbank als latente Infrastruktur mitunter selbst nicht zeigt, be-
dingt sie die möglichen Weisen des Umgangs mit Informationen an der Ober-
fläche. Die phänomenale Logik der Datenbank zeigt sich hierbei mittelbar im
Gebrauch oder Umgang mit digitalen Informationen, wenn z.B. Inhalte auf ver-
schiedenen Geräten (Laptop, Tablet-Computer, Smartphone etc.) unterschiedlich
präsentiert werden oder die Nutzer sich per Knopfdruck dieselben Informationen
auf unterschiedliche Weise anzeigen lassen können. Als technische Infrastruktur
bedingt sie die Artikulation, Manipulation, Präsentation und Zirkulation von me-
dialen Konstellationen als Informationen in und mit Computern.
FĂĽr Alan Liu ist das Streben nach einer Trennung von Inhalt und Form in
digitalen Medien ein zentraler Bestandteil des von ihm so bezeichneten Auf-
des 20. Jahrhunderts im Kontext der Entwicklung der Dokumentationswissenschaft
gefĂĽhrt wurde. In Rekurs auf Paul Otlet, Suzanne Briet und Walter SchĂĽrmeyer
zeichnet Buckland das Aufkommen eines funktionellen Dokumentbegriffs nach,
demzufolge etwas – ein Ding – zu einem Dokument wird, wenn es als solches fun-
giert. Als charakteristische Funktion von Dokumenten wurde ihr Belegcharakter
erachtet, wie Buckland vor allem in Rekurs auf Briet darlegt. Bei der Frage, ob etwas
ein Dokument konstituiert, sind vier Kriterien zu bedenken: Dokumente sind Dinge
(Materialität), die als Beleg oder Aussage für etwas dienen sollen (Intentionalität)
und die infolgedessen in ein Dokument verwandelt wurden (Prozessierung), welches
in letzter Instanz auch als solches wahrgenommen werden muss (Phänomenologie)
(vgl. Buckland 1997: 806).
10 | Kirschenbaum unterscheidet die formale Materialität von der forensischen
Materialität digitaler Medien. Letztere richtet sich auf das Material im engeren
Sinn, auf die Hardware und die physischen Inskriptionen digitaler Informationen auf
Datenträgern. Als formale Materialität bezeichnet er demgegenüber die Eigenlogik,
die medialen Konstellationen durch Software, Formate etc. eingeschrieben wird
(vgl. Kirschenbaum 2008: 132ff.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242