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Phänomeno-Logik 293
Datenbanken speichern und verwalten. Die Datenbank als latente Infrastruktur geht
jedoch ĂĽber die auf Stylesheets und Markup basierende Trennung von Inhalt und
Form hinaus. Mit der Verbreitung von datenbankbasierten Content Management
Systemen (CMS) seit Anfang der 2000er Jahre setzte sich das Template-Paradigma
beim Entwurf von Webseiten durch. Dabei kann durch die Speicherung von Web-
seiteninformationen in Datenbanken (und nicht in HTML-Da
teien) nicht nur
das Aussehen von Dokumenten (typographische Gestaltung und Anordnung der
Inhalts elemente) manipuliert werden, sondern auch, welche Inhalte erscheinen
sollen.19 Die an einen Nutzer gesandte Webseite (HTML-Dokument) wird beim
Aufruf der URL dynamisch vom CMS erzeugt. Hierin besteht – vereinfacht ausge-
drückt – die entscheidende Neuerung von CMS. Der Content der Webseite wird in
einer Datenbank gespeichert, aus der diese Inhalte gemäß einer Vorlage – dem Tem-
plate – ausgelesen und in von Browsern interpretierbare, d.h. darstellbare, HTML-
Dateien ĂĽbersetzt werden. Das Template spezifiziert einerseits, wie bestimmte
Informationen (Ăśberschriften, FlieĂźtext, Hyperlinks etc.) dargestellt werden sollen.
Anderseits wird im Template festgelegt, welche Informationen (Tupel, Attribute
etc.) aus der Datenbank ausgelesen und wie diese Informationen auf der Webseite
arrangiert werden sollen.20 DarĂĽber hinaus wird durch CMS die Personalisierung
von Webangeboten ermöglicht, indem externe Variablen, wie z.B. der Ort des Web-
seitenaufrufs oder das Nutzungsverhalten, in die Auswahl der Datenbankinhalte
einbezogen werden.21 Die Datenbank erscheint dabei aus Sicht der Endnutzer nicht
als selektierbarer Informationsbestand, sondern bleibt weitgehend verborgen.
Sie zeigt sich nur mittelbar, wenn beispielsweise unterschiedliche Zugriffsformen
(Nutzer, Geräte, geographische Regionen) auf dasselbe Webangebot verglichen
werden.
Auf der funktionalen Ebene zeigt sich die Datenbank als latente Infrastruktur
in der Flexibilität des Umgangs mit Informationen, die neue Ausdrucks- und
Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Ein Beispiel hierfür sind Formen datenbank-
basierter Erzählungen. Hierzu zählt unter anderen das bereits erwähnte Film-
projekt Soft Cinema von Lev Manovich und Andreas Kratky (2005).22 Bei diesem
medienkĂĽnstlerischen Experiment mit neuen Formen des Filmschaffens wird die
zeitliche (Reihenfolge) und räumliche (Platzierung im Split-Screen) Anordnung
19 | Derartige Selektionsmöglichkeiten sind der Markupsprache XML nicht imma-
nent. Der selektive Zugriff auf XML-Dokumente wird durch an XML angelehnte Ab-
fragesprachen wie z.B. XPath oder XQuery ermöglicht.
20 | Hierzu zählt unter anderem auch die dynamische Erzeugung von Navigations-
menüs, die sich bei Änderungen in der Webseitenstruktur automatisch auf allen
betroffenen Seiten aktualisieren. Dies vereinfacht die (Weiter-)Entwicklung und
Pflege von umfangreichen Webangeboten enorm.
21 | Auf die möglichen Nachteile der Personalisierung hat Eli Pariser (2011) hinge-
wiesen, S. 266ff.
22 | Siehe hierzu S. 143f.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Ăśber Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242