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Phänomeno-Logik 307
Streams folgen ähnlich wie die im Kapitel »Direct Access« (S. 206ff.) dis-
kutierten Magnetbandspeicher einer linearen Zugriffs- und somit Präsentations-
logik. Verteilt gespeicherte Nachrichten, Bilder, Videos, Blogeinträge usw. werden in
einen linearen Informationsfluss gebracht, der das zufällige Entdecken des Einen im
Vielen erlaubt. In dieser Hinsicht stellen Streams funktional keine Alternative zur
Query als einem Modus der mehr oder weniger gezielten Suche nach Informationen
dar. Wenn sich jedoch Nutzer mehr und mehr in den Nachrichtenflüssen von
Facebook, Digg, Reddit, Tumblr usw. treiben lassen, drängt sich die Frage auf, wie
Informationen in Streams organisiert werden und wer oder was entscheidet, welche
Informationen wem gezeigt werden (vgl. Dash 2012). Diese Frage führt zurück zur
technischen Logik der algorithmischen Ordnung von Informationssammlungen,
wie sie im Kapitel »Data + Access« diskutiert wurde.
orientierung iM vielen ii: Das viele ausWerten
In einer Sammlung von Vielem das Eine gezielt zu finden oder zufällig zu ent-
decken ist nur eine mögliche Erscheinungsweise der Datenbank als Informations-
sammlung. Von der im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Form der
Orientierung im Vielen ist daher eine zweite Orientierungsform zu unterscheiden,
die nicht darauf abzielt, eine im Bestand der Datenbank vorhandene, d.h. materiell
verkörperte Information ausfindig zu machen. Der Informationsbestand der Daten-
bank kann auch als Basis für neue Informationen genommen werden. Die Daten-
bank dient in diesem Gebrauchskontext als Medium für das distant reading einer
Informationssammlung (Moretti 2000: 57). Durch die kreative Auswertung von
bekannten Informationen sollen noch unbekannte Einsichten geschöpft werden,
welche es potenziell erlauben, Terroranschläge vorauszusehen und vorzubeugen,
ökonomische Entwicklungen in Echtzeit nachzuvollziehen, den Ausbruch von
Krankheitsepidemien zeitnah zu erkennen, Verbrechen zu bekämpfen, Freunde
und Lebenspartner zu finden etc. Im Großen wie im Kleinen birgt die findige
Auswertung vorhandener Informationen die Möglichkeit, neue Informationen
zu erhalten. Insofern können digitale Datenbanken unter Umständen etwas
wissen lassen, was so noch nicht gewusst, was allenfalls latent und rein virtuell
als potentielle Information vorhanden war. Dies ist die Signatur des von Lyotard
beschriebenen postmodernen Spiels vollständiger Informationen, welches sich in
dieser Gebrauchsform von Informationssammlungen manifestiert.51
Bei der Auswertung des Vielen erscheint die Datenbank nicht als geschützte
Aufbewahrungsstätte von Bekanntem, sondern als Grundlage oder Basis für das
Entdecken von Unbekanntem. Diese Möglichkeit von bzw. Sichtweise auf Daten-
banken findet ihren Ausdruck in der Metapher der Basis, welche im englischen
Begriff Data Base enthalten ist. Die Überzeugung, dass aus der Auswertung von
51 | Siehe hierzu S. 183f.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242