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Man hätte es im Vorhinein wissen können. Damit ist eine Grenze der Auswertungs-
möglichkeiten von Informationssammlungen benannt, die sich in Zukunft ver-
schieben, aber wohl nie gänzlich verschwinden wird, da Computerprogramme stets
nur »inside their box« operieren können.
Die diskutierten Möglichkeiten und Grenzen des Entdeckens von neuem Wissen
in bereits bekannten Informationen führen zurück zu der bereits erwähnten Debatte
über das beginnende Ende der Theorie unter den Bedingungen von Big Data. Dass
Andersons These – die hypothesen- und theoriegeleitete Forschung werde durch
die algorithmische Suche nach Korrelationen in großen Datenbeständen abgelöst
– umstritten ist, wurde bereits erwähnt. Zugleich kommt der Korrelationsanalyse
und anderen Data Mining-Verfahren gegenwärtig eine zunehmende Bedeutung zu.
Daher argumentieren Viktor Mayer-Schönberger und Kenneth Cukier in ihrem
Buch Big Data: A Revolution That Will Transform How We Live, Work and Think,
dass das Fragen nach Kausalität im Vergleich zur Suche nach Korrelationen aktuell
an Bedeutung verliert. Wichtiger als das knowing why (Kausalität) wird ihres Er-
achtens das knowing what (Korrelation): »Knowing what, not why, is good enough«
(Mayer-Schönberger/Cukier 2013: 52).63
Die Gegenüberstellung von Kausalität und Korrelation birgt die Gefahr,
dass man beide als sich wechselseitig ausschließende Erkenntnismodi begreift.
Dies ist jedoch nicht der Fall, denn Korrelationen nehmen in der natur- und
sozialwissenschaftlichen Forschungspraxis schon lange eine wichtige Rolle ein.
Kurzum: Korrelationen stehen nicht in Widerspruch zur Frage nach Kausalität
und wissenschaftlicher Theoriebildung. Hierauf weisen auch Mayer-Schönberger
und Cukier hin (vgl. 2013: 67f.). Was ist dann jedoch das spezifisch Neue an der
Wissensproduktion im Zeitalter von Big Data? Für Mayer-Schönberger und Cukier
besteht dies in der Rolle, die Analyseprogramme oder Algorithmen bei Suche nach
Korrelationen einnehmen, welche in großen Informationsbeständen automatisch
Zusammenhänge zwischen Variablen entdecken können (vgl. Mayer-Schönberger/
Cukier 2013: 54ff.). Infolgedessen gehe das Finden von Korrelationen der wissen-
schaftlichen Hypothesen- und Theoriebildung voraus (Mayer-Schönberger/Cukier
2013: 55). Diese Behauptung ist insofern problematisch, als dass nahegelegt wird,
dass Big Data-Auswertungsverfahren unbedingt und voraussetzungslos – oder in
anderen Worten: theorie- und hypothesenfrei Zusammenhänge in Datensätzen ent-
decken können.
63 | Es ist bemerkenswert, dass Mayer-Schönberger und Cukier fast ausschließlich
Beispiele aus ökonomischen Kontexten erwähnen, um ihre Diagnose zu untermauern:
»Knowing why might be pleasant, but it’s unimportant for stimulating sales. Knowing
what, however, drives clicks. This insight has the power to reshape many industries,
not just e-commerce« (Mayer-Schönberger/Cukier 2013: 52). Daher ist zu fragen,
inwieweit der Korrelationsanalyse auch in den Wissenschaften eine größere Be -
deutung zukommt als dem Fragen nach Kausalität.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242