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Schluss
Plädoyer für eine kritische Datenbankkultur
»Dass es mit einem Text zu Ende geht, merkt man dar-
an, dass aus allen seinen Fugen die Triebe des näch-
sten zu sprossen beginnen.«
seel 2009: 254
More, more, more! Als Metapher für digitale Informationssammlungen und als
Begriff für digitale Sammlungstechnologien ist die Datenbank eine Chiffre für die
Informationsexzesse der digitalen Medienkultur. Die damit verbundenen Poten-
ziale aber auch Gefahren finden in den jüngsten Entwicklungen und Debatten über
Big Data ihren Widerhall.1 Durch den Fokus auf digitale Datenbanken wurde in
diesem Buch eine von vielen möglichen Entwicklungslinien nachgezeichnet, die
in dem aktuellen Hype um Big Data gemündet sind. Den zentralen Stellenwert
von Datenbanken für die zeitgenössische Medienkultur hat Lev Manovich bereits
Ende der 1990er Jahre zutreffend diagnostiziert. Dass die Datenbank, wie von ihm
nahegelegt, als Gegenmodell zur Erzählung fungiert und sie als dominante Form
der kulturellen Sinnstiftung ablöst, steht jedoch weiter zur Diskussion. Denn so
viele Argumente, wie sich für Manovichs Behauptung anführen lassen, können
gegen sie vorgebracht werden. Auf den Profilseiten sozialer Netzwerke mag man
den Triumpf der Datenbankform über die Erzählform erkennen. Zugleich können
die Listen von Statusupdates, Bildern, Links, Kommentaren etc. auch als Samm-
lungen von Mikronarrativen betrachtet werden, die sich durch ihre spezifische An-
ordnung im Interface zu einem Narrativ verdichten, welches durch Nutzer zudem
aktiv gestaltet werden kann (vgl. Reichert 2008: 37ff.). Etwas Ähnliches propagiert
beispielsweise der Dienst Storify (storify.com), der Nutzer einlädt, im WWW
gefundene Informationen, wie z.B. Tweets, Webseiten, Videos etc., zu einer linearen
Geschichte zusammenzufügen. Die von Manovich gegenübergestellten Ausdrucks-
formen Erzählung und Datenbank sind also bestenfalls als die Extrempole eines
1 | Einen Überblick zur aktuellen medienkulturwissenschaftlichen Debatte zu Big Da-
ta geben die Beiträge in dem von Ramón Reichert herausgegebenen Sammelband
Big Data: Analysen zum digitalen Wandel von Wissen, Macht und Ökonomie (2014).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242