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331Schluss
durch relationale Datenbanksysteme vollzogene Übergang von prozeduralen (wie
gefunden wird) zu deklarativen (was gesucht wird) Datenbankanfragen bedeutet
eine erhebliche Vereinfachung des Umgangs mit Datenbankinformationen. Zum
anderen erlaubt das relationale Datenmodell eine enorme Flexibilisierung der
Suchmöglichkeiten, da Beziehungen zwischen Informationseinheiten nicht mehr
durch physische Verweise (Pointer) in der Tiefe des Computers gespeichert werden
müssen, sondern bei der Abfrage durch sogenannte Verbundoperationen (Join)
etabliert werden können. Mithin wird es möglich, bei der Formulierung von Such-
anfragen neue Zusammenhänge zu erproben, indem Datenbankinformationen auf
unvorhergesehene Weise zueinander in Bezug gesetzt werden.
Obwohl die Bedeutung des relationalen Datenmodells kaum zu überschätzen
ist, stellt dieses nur ein spezifisches Verfahren der Herstellung computer-les-
barer Signifikanz dar. Dies zeigt sich im Vergleich zu Websuchmaschinen sowie
zur Idee des Semantic Web. Bedeutung im Sinn von Relevanz wird bei Websuch-
maschinen nicht im Rahmen eines Informationsmodells formal expliziert, sondern
durch Algorithmen kalkuliert. Algorithmische Verfahren der Zuschreibung von
Bedeutung können in dieser Hinsicht als Gegenmodell zur Modellierung von Be-
deutung im konzeptionellen Schema digitaler Datenbanken verstanden werden.
Doch auch diese Form der algorithmischen Auswertung beruht auf Datenbank-
technologien und damit auf der strukturierten Speicherung von Informationen. Um
das Web als Ganzes verwalt- und verarbeitbar zu machen, müssen Suchmaschinen-
betreiber das WWW in eine Datenbank (im engen Sinn) transformieren, deren
Informationen durch Algorithmen eindeutig adressiert und somit ausgewertet
werden können. Daten(banken) und Algorithmen sollten deshalb nicht medien-
theoretisch gegeneinander ausgespielt werden. Für ein besseres Verständnis der
digitalen Medienkultur – insbesondere unter den Bedingungen von Big Data – gilt
es vielmehr, deren wechselseitiges Bedingungsverhältnis im Kontext partikularer
Informationssysteme zu analysieren.
Dementsprechend wurde das Hauptaugenmerk der medientheoretischen Ana-
lyse digitaler Datenbanken auf die ambivalente Vielgestaltigkeit unterschiedlicher
Formen der Verwaltung, Abfrage und Auswertung von Informationssammlungen
gelegt. Eine so verstandene Kritik ist Kritik im wörtlichen Sinn des griechischen
krínein, d.h. von unterscheiden. Als Oberbegriff für digitale Informationssamm-
lungen besitzt die Datenbank, wie in Abgrenzung zu Lev Manovichs Beschreibung
der Datenbank als symbolischer Form der digitalen Medienkultur argumentiert
wurde, keine einheitliche mediale Logik. Bereits die Behandlung der Frage Was sind
Datenbanken? (Kapitel »Datenbank«) ließ eine Ambiguität zutage treten, welche
sich schließlich auch in den vielfältigen und heterogenen Verfahren des computer-
technischen Umgangs mit Informationssammlungen (Kapitel »Techno-Logik«) und
den mannigfaltigen medialen Praktiken mit Datenbanken (Kapitel »Phänomeno-
Logik«) widergespiegelt hat.
Die Betrachtung medientechnischer Konfigurationen der Versammlung und
Verwaltung von Informationen in und mit Computern sollten – ohne Anspruch
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242