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333Schluss
Bolz bereits Anfang der 1990er Jahre festgestellt hat, ist eine der größten Heraus-
forderungen der sogenannten Daten- und Informationsflut »zu wissen, was man
weiß« (Bolz 1994b: 15). Das Imaginäre von Datenbanken artikuliert sich in den
Debatten über Big Data hingegen insbesondere in dem Versprechen, in bereits
bekannten Informationen durch Data Mining, Information Visualization etc. neue
Zusammenhänge und neues Wissen entdecken zu können.
In diesem Zusammenhang wurde jedoch darauf hingewiesen, dass sich die
These als problematisch erweist, Computeralgorithmen könnten in Informations-
sammlungen theorie- und hypothesenfrei Korrelationen zwischen Variablen ent-
decken. Denn auch wenn keine Vermutungen über Zusammenhänge zwischen
konkreten Variablen die Erforschung von Big Data anleiten mögen, wird der Ana-
lyseprozess stets durch die Wahl des Auswertungsverfahrens bedingt. Infolgedessen
sind der computergestützten Analyse von Big Data immer auch Vorannahmen
eingeschrieben, welche jedoch zumeist implizit bleiben. Diese zu explizieren und
damit die mit Big Data einhergehenden epistemologischen Verschiebungen genauer
zu beschreiben bleibt eine Herausforderung. Auch weist die endgültige Beant-
wortung der Frage nach den medienkulturellen Auswirkungen digitaler Daten-
banken über die Grenzen dieses Buchs hinaus. Dennoch soll ausgehend von der hier
entwickelten medientheoretischen Perspektive auf Datenbanken abschließend auf
einige weiterführende Aspekte, Dimensionen und Probleme hingewiesen werden,
die zum Ausgangspunkt weiterer Untersuchungen der digitalen Datenbankkultur
genommen werden können.
DeKonstruKtion Der DatenbanKFiKtion
Durch Datenbanken wird eine Fiktion vollständiger Informationen wachgerufen,
welche mit der Hoffnung Hand in Hand geht, die Welt vollständig erfahren und
kontrollieren zu können. Zum Ausdruck kommt dieser Glaube beispielsweise in
den Metaphern des World Brain (Wells 1971 [1938]) und der Infosphäre (Floridi
1999), welche die Vorstellung nahelegen, es gebe »einen Gesamtwissensbestand, der
objektiv-virtuell existiert und an dem subjektiv alle teilhaben können und viele fak-
tisch auch teilhaben« (Sommer 2002b: 325). Dieses Ideal eines objektiven Gesamt-
wissensbestands manifestiert sich in der vermeintlichen Totalität der Datenbank
als einem unerschöpflichen Informationsbestand und in den vielfältigen Möglich-
keiten, die in der Datenbank ruhenden virtuellen Informationen an der Oberfläche
zur Erscheinung zu bringen.7 Indem die Datenbank (praktisch oder imaginär)
aufs Ganze zielt und die Kontingenz der Welterfahrung durch die kontingenten
Zugriffsformen auf den Informationsbestand verdoppelt, wird sie zur Welt und
7 | Die verschiedenen Möglichkeiten, Datenbankinformationen an der Bildschirm-
oberfläche zur Erscheinung zu bringen, erstrecken sich auf deren Selektion, Anord-
nung, Auswertung und Darstellung.
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242