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Wissenschaften eine mit der Neuzeit einsetzende Mathematisierung der Welt, die
im »Konnex mit der Meßkunst« (Husserl 1996: 33) zum Garant von Objektivität,
wissenschaftlicher Exaktheit und Wissenschaftlichkeit überhaupt wurde (vgl.
Husserl 1996: 2f.).24 Hiervon zeugt nicht zuletzt die geläufige Zuschreibung von
Härte, Strenge und Exaktheit zu den quantitativ und mathematisch verfahrenden
(Natur-)Wissenschaften, von denen die sogenannten weichen nicht-quantitativen
Wissenschaften unterschieden werden.
Ungeachtet der phänomenologisch motivierten Kritik, die Husserl in seiner
Krisisschrift an der Mathematisierung und der damit einhergehenden Tech-
nisierung der Welt formuliert, zeigt dessen Abhandlung den zentralen Stellenwert
auf, der dem Zähl-, Mess- und Berechenbaren seit Jahrhunderten zuerkannt wird.
In gewisser Weise weist auch Michel Foucault auf diesen Umstand hin, wenn er in
der ersten Vorlesung zur Geschichte der Gouvernementalität herausstellt, dass die
quantitative Bevölkerungserfassung durch die Statistik als der »Wissenschaft vom
Staat« (Foucault 2006: 152) seit dem Ende des 16. Jahrhunderts sukzessive zu einem
zentralen Bestandteil der staatlichen Regierungskunst wurde. In der Folgezeit ist
für die Regierung nicht mehr das Individuum, sondern die Bevölkerung »das ab-
schließende Zielobjekt« (Foucault 2006: 70), welche als kollektives Subjekt-Objekt25
durch Statistik erst erkenn- und damit regierbar wurde:
»Die Statistik läßt, indem sie die der Bevölkerung eigenen Phänomene zu quantifi-
zieren erlaubt, deren nicht auf den kleinen Rahmen der Familie reduzierbare Eige-
nart zutage treten. Abgesehen von einer bestimmten Anzahl von Restthemen, die
moralische oder religiöse Themen sein können, verschwindet die Familie als Modell
der Regierung.« (Foucault 2006: 157)
Durch das Zählen und Schätzen von Geburten- und Todesraten, von Todesursachen
und Verbrechen, aber auch von Handelsleistungen und Steuererträgen wurde die
24 | Die Welt in ihrer Konkretheit ist Husserl zufolge nicht mathematisch. Sie wird
vielmehr indirekt mathematisiert und hierdurch methodisch objektiviert (vgl. Husserl
1996: 43): »Mathematik als Reich echter objektiver Erkenntnis (und Technik unter
ihrer Leitung), das war für Galilei und schon vor ihm im Brennpunkt des den ›modernen‹
Menschen bewegenden Interesses für eine philosophische Welterkenntnis und
eine rationale Praxis. Es muß Maßmethoden geben für alles, was Geometrie,
was Gestaltenmathematik in ihrer Idealität und Apriorität umfaßt. Und die ganze
konkrete Welt muß sich als mathematisierbar-objektive erweisen, wenn wir jenen
einzelnen Erfahrungen nachgehen und alles an ihnen vorausgesetztermaßen der
angewandten Geometrie zu Unterstellende wirklich messen, also die entsprechenden
Maßmethoden ausbilden. Wenn wir das tun, muß sich die Seite der spezifisch
qualitativen Vorkommnisse indirekt mitmathematisieren.« (Husserl 1996: 39f.)
25 | Foucault bezeichnet die Bevölkerung als kollektives Subjekt-Objekt, welches
zugleich politisches Subjekt und Objekt des Regierens sei (vgl. 2006: 70ff.).
Digitale Datenbanken
Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Title
- Digitale Datenbanken
- Subtitle
- Eine Medientheorie im Zeitalter von Big Data
- Author
- Marcus Burkhardt
- Publisher
- transcript Verlag
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-SA 4.0
- ISBN
- 978-3-8394-3028-6
- Size
- 14.7 x 22.4 cm
- Pages
- 392
- Category
- Informatik
Table of contents
- Medium: Zwischen Konstellationen und Konfigurationen 21
- Die Frage nach den Medien 22
- Wann sind Medien? 33
- Über Medien reden: Medienepistemologie 58
- Computer: Zwischen Oberfläche und Tiefe 73
- Phänomeno-Technische Konfigurationen 75
- Spielräume der computertechnischen Informationsvermittlung 95
- Datenbank: Zwischen digitalen Sammlungen und Sammlungstechnologien 117
- Was sind Datenbanken? 121
- Datenbanklogiken: Zur Datenbank als symbolischer Form 131
- Gegen die Datenbank als Prinzip: Mikrologiken der digitalen Datenhaltung 145
- Banken, Basen, Reservoirs: Information Storage and Retrieval 149
- Information: Zwischen begrifflicher Abstraktion und technischer Konkretion 150
- Kommunikation mit Informationssammlungen 167
- Daten und Information: Begriffsklärung 187
- Techno-Logik: Apparaturen, Architekturen, Verfahren 205
- Direct Access: Zur Festplatte als Herausforderung digitaler Datenbanken 206
- Datenbankmodelle: Architekturen für Datenunabhängigkeit 221
- Data + Access: Datenmodelle und Algorithmen 242