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Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxix
im Laufe der ungefähr 40 Regierungsjahre mehr als 110 Juristen nachweisen198. Das sind
deutlich mehr als bei seinen Vorgängern. Insofern kann hier eine Entwicklung zur „Pro-
fessionalisierung der Verwaltung“ gesehen werden. Einige davon waren Abgänger der
Wiener Juristenfakultät, viele kamen auch von anderen Universitäten. Im beobachteten
Untersuchungszeitraum konnten Wiener Juristen in der Österreichischen Hofkanzlei, im
Hofrat, am Kammergericht199, im diplomatischen Dienst, am Österreichischen Landesre-
giment, in kaiserlich geförderten Humanistenkreisen und als kulturelle Berater unter den
Kaisern Friedrich III., Maximilian I. und Ferdinand I. festgemacht werden200.
Im Zuge der „Professionalisierung“ der Verwaltung und des Hofes wurde der Ein-
fluss der Landstände in der Verwaltung und der Regierung zurückgedrängt und rö-
misch-rechtlich gebildete Juristen bildeten zunehmend den neuen Beamtenstand201.
Damit wurde der Adels- wie auch der Klerikerstand zunehmend aus der Verwaltung ge-
drängt202. Zugleich fand ein Übergang von einer vom Kirchenrecht und dem Landrecht
geprägten Rechtspraxis zum römischen Recht statt. So verfügte Maximilian I. für das
1501 neu gegündete Hofgericht der niederösterreichischen Länder in Wiener Neustadt,
dass nicht gemäß dem herkömmlichen Landrecht, sondern nur nach dem römischen
Recht verhandelt werden durfte203. Auch wenn Maximilian aufgrund des großen ständi-
schen Widerstands das Wiener Neustädter Gericht 1510 wieder aufgeben musste, ließ
sich der Durchbruch der römisch-rechtlich gebildeten Juristen in der Verwaltung nicht
mehr aufhalten204.
Kurie, Bischofssitze, Klöster und Stifte, aber auch die Pfarren boten im kirchlichen
Dienst, der zweiten Gruppe, berufliche Betätigungsfelder für gelehrte Juristen. Hier war
es einem Juristen beispielsweise möglich, an der Kurie in Rom Karriere zu machen oder
die Stelle eines einfachen Dorfpfarrers anzutreten, wenngleich dieser seine juristischen
Kenntnisse wohl nur selten anwenden konnte. Wahrscheinlich ist auch, dass ein Chorherr
in seinem Stift eher selten mit juristischen Fragestellungen konfrontiert wurde, mitunter
dann, wenn das Stift in einem Prozess juristisch vertreten werden musste205. Dies steht
im Gegensatz zu den bei geistlichen Gerichten tätigen Juristen oder etwa weltlichen Pro-
tonotaren, die in der Kanzlei tagtäglich mit juristischen Fragestellungen in Berührung
kamen206. An der Kurie war der Bedarf an Juristen jedenfalls sehr hoch. Hier ein ein-
drucksvolles Beispiel: In den 18 Jahren des Pontifikats von Johannes XXII. (1316–1334)
finden sich 3.879 Juristen an der Kurie in Avignon, 1.255 davon waren Zivilrechtler207.
Das sind mehr als doppelt so viele Juristen wie rechtswissenschaftliche Universitätsbesu-
cher zwischen 1442 und 1557 in Wien.
198 Moraw, Gelehrte Juristen, 138. Diese Angabe ist eventuell etwas überholt und würde sich nach einer
eingehenden Analyse wahrscheinlich noch erhöhen.
199 Dazu: Diestelkamp, Reichskammergericht.
200 Zum Beispiel: Thomas Prelager, Bischof von Konstanz, Bernhard Polhaym, Bischof von Wien, Johannes
Polczmacher, Jodocus Hausner, Kilian Horn, der Kanoniker Leopold Prantz, Jacob Spiegel aus Schlett-
stadt, der Russlandreisende Siegmund von Herberstein. Dazu ausführlich: Heinig, Friedrich III.; Wies-
flecker, Maximilian; Kohler, Ferdinand I.
201 Niederstätter, Jahrhundert, 280; Hammerstein, Universitäten, 687–735.
202 Lhotsky, Kirche, 119.
203 Vancsa, Geschichte, 457; Niederstätter, Jahrhundert, 288.
204 Wiesflecker, Österreich, 295, 298.
205 Schmutz, Juristen, 261.
206 Schmutz, Juristen, 200.
207 Schwinges, Reich, 246.
Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis, Volume II:1442–1557
- Title
- Die Matrikel der Wiener Rechtswissenschaftlichen Fakultät
- Subtitle
- Matricula Facultatis Juristarum Studii Wiennensis
- Volume
- II:1442–1557
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2016
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20255-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 326
Table of contents
- 1. Einleitung vii
- 1.1 Forschungsstand viii
- 1.2 Vorhaben und Ziele der Edition x
- 1.3 Die Quelle xi
- 1.4 Der Wert der Quelle – Prosopografische Erkenntnisse xii
- 1.5 Die juridische Fakultät: Studienvoraussetzungen, Studienverlauf und Größe xiv
- 1.6 Paläografische Analyse xvii
- 1.7 „Studium im Ausland“ – Italienaufenthalt und römisch-rechtlicher Einfluss xxi
- 1.8 Statistische Auswertung xxv
- 1.9 Berufliche Wirkungsfelder der Juristen xxxviii
- 1.10 Liste der Dekane xlii
- 1.11 Kurzzitate und Siglen der Quellen und Literatur xlvii
- 1.12 Abkürzungen im Text und in den Registern xlviii
- 1.13 Grundsätze der Edition li
- 1.14 Vorbemerkung zu den Registern lii
- 1.15 Quellen und Literatur liii
- 2. Text der Matrikel 1442–1557 1
- 3. Register 119
- Abstract 259