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Mobilisierung und Krieg
Der Weg an die Ostfront
Am 29. Juli 1914 erfuhr Rolf am österreichischen Konsulat in Bukarest, dass das XIV. Korps,
das im Kriegsfall »R« gegen Russland aufzumarschieren hatte, mobilisiert sei und dass
er sich unverzĂĽglich bei der k. u. k. Schweren Haubitzdivision Nr. 14, die in Vill bei Neu-
markt in SĂĽdtirol stationiert war, einzufinden habe. Damit holten die weltpolitischen Er-
eignisse, die nur einen Monat zuvor in Sarajevo ihren Ausgang genommen hatten, auch
Rolf in seinen noch jungen Bukarester Ehejahren ein. Nur knappe zwei Jahre waren ihm
geblieben, in der Hauptstadt Rumäniens architektonisch tätig zu werden, ehe der Ers-
te Weltkrieg ein jähes Ende dieser Schaffensperiode erzwang. Diese Zäsur sollte jedoch
nicht nur einen Abschied von seiner neuen Wahlheimat Bukarest mit sich bringen, son-
dern letztlich sogar den lebenslänglichen Abschied von Europa und Rolfs bisherigem
Schaffensumfeld bedeuten.
Am 28. 6. 1914 waren der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz Fer-
dinand und seine Gemahlin Sophie in Sarajevo dem Attentat eines serbischen Studenten
zum Opfer gefallen. Da Österreich hinter diesem Verbrechen eine Verschwörung der ser-
bischen FĂĽhrung vermutete, stellte es am 23. 7. 1914 an Serbien ein Ultimatum, das unter
anderem die Mitarbeit der Monarchie an der Aufklärung der Hintermänner einforderte.
Innerhalb der im Ultimatum gesetzten Frist von 48 Stunden ging die serbische Regierung
auf fast alle Punkte ein, verwahrte sich jedoch gegen eine Einschränkung ihrer Souverä-
nität. Trotz der weitgehenden Zugeständnisse erklärte Österreich-Ungarn die Antwort
für unbefriedigend, und am 28. 7. 1914 erfolgte deshalb die Kriegserklärung an Serbien.
Dieser Schritt löste aufgrund der weitereichenden militärischen Bündnispolitik eine Ket-
tenreaktion aus, die schlieĂźlich direkt in den Ersten Weltkrieg mĂĽndete.
Bis Ende 1914 wurden in der österreichisch-ungarischen Monarchie in einer Teilmo-
bilisierung zusätzlich zum Friedensstand von 415.  000 Mann fast 2,5 Millionen Reservis-
ten einberufen. Bei Kriegsende im Jahr 1918 dienten schlieĂźlich fast 8 Millionen Soldaten
im Heer der Habsburgermonarchie. Ăśber 1 Million kehrte aus dem Krieg nicht zurĂĽck,
rund 2 Millionen wurden verwundet, und beinahe 2 Millionen sahen erst nach oft mehr-
jähriger Gefangenschaft die Heimat wieder. Weltweit waren an dem Krieg rund 40 Staa-
ten beteiligt, 70 Millionen Soldaten standen unter Waffen, und rund 17 Millionen zäh-
len zu den Todesopfern.
Wie reagierte nun Rolf, als er mit einer Situation konfrontiert war, die mit einem
Schlag alle seine beruflichen und persönlichen Planungen und Vorstellung zunichte-
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273