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Mobilisierung und Krieg 074
mit Pionieren unter Leitung eines Art. Offiz. zu reparieren, Brückendecke verstärken
u. weiter diese benützen.«
Weitere Weisungen sollten telefonisch von einem anderen Kommando eingeholt wer-
den. »Dieses gab wieder Befehl, nächsten Tag eine Brücke weiter nördlich [ 
…  ] zu benüt-
zen.« Als das Divisionskommando von der Unfallmeldung zurückkehrte, »war die Divisi-
on bereits über die Behelfsbrücke auf das andere Ufer gegangen. [ 
…  ] Daher alle Befehle
nicht zu befolgen waren.«
Aufgrund dieser und ähnlicher organisatorischer Pannen sowie der wiederholt chao-
tischen Zustände im Heer der Habsburgermonarchie dürfte Rolf wohl kaum die Einschät-
zung der Autoren von »Österreich-Ungarns letzter Krieg« geteilt haben, die in verklären-
der Reminiszenz formulierten: »Ein künftiges Geschlecht wird diesen Dingen sachlicher
gegenĂĽberstehen als das unsrige, das noch Leidtragender des Zeitenjammers gewe-
sen ist, und es wird diese großartige Menschenschöpfung, die österreichisch-un-
garische Wehrmacht von 1914, mit scheuem Staunen betrachten. Denn sie war ein ge-
waltiger Bau von feinst durchdachter Gliederung, von seltsamsten, mitunter – wenn man
will – bizarren Formen, aber auch von einer angesichts des brüchigen Untergrundes ver-
blüffenden Festigkeit.« (  S. 57  )
Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm
Neben den größeren Gefechten war Rolfs Division auf ihrem Marsch nach Westen
auch häufig in kleinere Scharmützel verwickelt, und umgekehrt berichtet Rolf wieder-
holt vom Ausbau gefechtsmäßiger Stellungen, ohne dass es in Folge zu einer Feind-
berührung gekommen wäre. Da die Ostfront im Unterschied zur Westfront als Bewe-
gungskrieg verlief, verbrachte die Division nahezu jede Nacht an einem anderen Ort.
Zwischen den groĂźen Schlachten, an denen Rolfs Division beteiligt war, waren deshalb
zumeist mehrere Tagesmärsche zurückzulegen. Häufig wurde in der Nacht marschiert,
mehrfach gab es nur fĂĽr ein paar Stunden Ruhepausen. (Abb. 45)
Nur wenn heftigere Zusammenstöße mit russischen Truppen zu erwarten waren bzw.
erfolgten, wurden fĂĽr wenige Tage Stellungen bezogen, die sich dann zwar um einen
Ort konzentrierten, aber im kleinen Umkreis wiederum mehrmals kurzfristig zu wech-
seln waren.
Wie mĂĽhsam sich Truppenbewegungen gestalten konnten, zeigt ein kurz zusam-
mengefasstes Beispiel aus Rolfs Tagebucheintragungen vom 5. und 6. Oktober 1914:
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273