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Mobilisierung und Krieg 076
serer Kolonnen auch die tiefsandigen Wege. Nach der langen Schönwetterzeit mußten
unsere Mannschaften bis zu den Waden einsinkend selbst kĂĽrzere Strecken mit unver-
hältnismäßiger Anstrengung bewältigen und hatten dabei auch unter der dichten Stau-
bentwicklung stark zu leiden. Nun ist es aber auch in diesen Sandzonen die Regel, daĂź
jede der zahllosen kleinen Mulden und Tiefenlinien, die das leichtwellige Gelände durch-
ziehen, oft kaum sichtbar versumpft ist. Das bedeutet fast jedesmal nasse FĂĽĂźe in san-
digem Schuhwerk und bei aller möglichen Sorgfalt doch sehr viele Marschmarode, na-
mentlich bei Truppen, die an derartige miserable Wegverhältnisse aus ihrer kultivierten
Heimat nicht gewöhnt sind.«
Die beschwerlichen Umstände verschärften sich, als der Herbst mit ausgiebigen Re-
genfällen folgte, und Rolf berichtet mehrmals, dass sich die Truppen tagelang durch
Morast zu kämpfen hatten. Ab Mitte September des ersten Kriegsjahres endet beina-
he jede Tagebucheintragung Rolfs in dieser oder ähnlicher Weise: »nächtigt in Regen
und Kot, nasse Kälte.« Häufig existierten nur Feldwege, und vor allem für die Geschüt-
ze und begleitenden Wagen bildeten diese Verkehrswege ein kaum bewältigbares Hin-
dernis. Alleine durch die problematische Bodenbeschaffenheit ging deshalb viel Gerät
verloren. So schreibt Rolf am 4. Oktober: »Am Weg galt es [ 
…  ] äußerst schwierige Ver-
hältnisse zu überwinden. Räder sinken tief ein, Hohlwege zu schmal [  …  ] 2 Geschütze
im Hohlweg in seitlichen Wasserlauf abgestĂĽrzt, fĂĽr die anderen Fuhrwerke dadurch
Weg versperrt.« (Abb. 46)
Vielfach erreichten die Kolonnen
nicht nur aufgrund der schlechten
Weg ver hältnisse, sondern auch wegen
der daraus resultierenden ĂśbermĂĽ-
dung der Mannschaft und der Pfer-
de die für die Nächtigung vorgese-
henen Orte nicht, und es musste ein
anderer »Parkplatz« gesucht werden.
Am 12. Oktober schreibt Rolf: »2 Uhr
n.m. bei Regen und sehr schlechten
Bodenverhältnissen Abmarsch – tiefer
Kot, Löcher in der Straße.« Die Divisi-
on erreichte daher auch in diesem Fall
nicht den vorgesehenen Ort, sondern
»nächtigt an der Straße« mehrere Kilo-
meter davor. »Mehrere Munitionswa-
gen blieben rückwärts im Kot stecken 46 Zwei abgerutschte Geschütze
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273