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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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Kriegsgefangenschaft 102 3. Juli. Ich fiebere stark, nehme Aspirin und schwitze eine Nacht, scheint Influenza zu sein. Nachmittags in Pyacebka können wir im Bahnrestaurant essen. 4. Juli Auf allen Stationen viel Volk in bunten Trachten, schon viel asiatisches. Auffallend kein junger Mann. Knaben und alte Männer. Bahn- und Feldarbeiten fast nur Mädchen  ! 5. Juli 5h Morgens an Kassan; in alter, schauderhafter Brauerei bei zirka 100 Offizieren untergebracht, Läuse und Wanzen übervoll. Elende Nacht verbracht  ! Nichts zu Essen, kein Geld  ! Am 6. Juli wurden die Gefangenen auf der Wolga mit einem Dampfschiff in das Lager in Tetjuschin [  = Tetjushi  ] gebracht, wo sie für mehrere Monate blieben und damit das erste Mal mit dem Alltagsleben in einem Gefangenenlager konfrontiert waren. Die Offi- ziere wurden in einem ehemaligen Teehaus untergebracht, wobei Rolf besonders unter dem Lärm in der Nacht litt, wie er in der Tagebuchaufzeichnung vom 9. und 10. August berichtet: »Auffallend ist der Lärm in der Nacht; alle Gefangenen sprechen oder schrei- en sogar im Schlaf; scheinbar eine Folge der Nerven. In schlaflosen Stunden kann man hören wie einzelne Herren im Schlafe sogar auf die Äußerungen anderer eingehen  !« Da die Offiziere von der Arbeitspflicht befreit waren und auch innerhalb des Lagers keinen Dienst zu verrichten hatten und da sogar persönliche Verrichtungen wie das Rei- nigen der Wäsche von den »Burschen« erledigt wurde, verlief der Alltag der Offiziere in quälender Langeweile. Viele reagierten mit einem außergewöhnlichen Schlafbedürfnis, aber auch mit Unruhe, Missmut und Reizbarkeit – ein Zustand, der später die Bezeich- nung »Stacheldrahtkrankheit« erhielt. Elsa Brändström schildert eine diesbezügliche Si- tuation, die später ganz ähnlich in Rolfs Tagebucheintragung vom 29. 9. aufscheint: »Die- se große Gereiztheit lässt die Gefangenen hinter jeder harmlosen Äußerung eine Absicht sehen – und die angeblich gekränkte Ehre fordert Genugtuung. So entstanden die un- zähligen Ehrenhändel, die sie unter sich mit den ausführlichsten Protokollen in der fes- ten Absicht führten, sie in der Zukunft weiter zu verfolgen«. (  S. 92  ) Viele, wie etwa auch Rolf, beschäftigten sich allerdings intensiv mit sportlicher Betä- tigung, und hier insbesondere dem Fußballspiel, erlernten Fremdsprachen oder vertrie- ben sich die Zeit mit sonstigen Aktivitäten: 4., 5. Aug. Sehr verschieden ist die Beschäftigung der einzelnen Herren; die meisten ler- nen Sprachen, besonders Französisch und Russisch wird betrieben, viele üben auch Ste- nographie, andere zeichnen unaufhörlich, das Schachspiel ist ungemein verbreitet und ein Herr im 1. Stock bearbeitet fleißig eine Violine. Einige Herren vereinigten sich zu ei-
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rolf Geyling (1884-1952)
Subtitle
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Author
Inge Scheidl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
292
Keywords
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Category
Biographien

Table of contents

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine KĂĽnstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
  37. Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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