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Kriegsgefangenschaft 164
ausdrĂĽcke fĂĽr Ihr einzig dastehendes und hervorragendes Wirken im Interesse und zum
Wohle der Allgemeinheit.
Unvergesslich bleibt uns allen Ihr segensreiches Wirken in unserer bitteren Not und
Elend in den Jahren 1918–1920 in welcher Zeit Sie Ihre reichen beruflichen Fachkenntnisse
in manigfacher Art verwerteten und sich als Fachmann insbesonders bei der Instandset-
zung der von den Bolschewiken verwüsteten Gebäude für Lager und Spitalszwecke, sowie
bei der Instandsetzung und Neuinstallierung einer Badeanstalt und Bäckerei im Kriegsge-
fangenenlager hervorragend betätigten.
Auch der drĂĽckenden Wassernot im Lagerbereich traten Sie ungeachtet der furcht-
baren sibirischen Kälte energisch entgegen, indem Sie eine Brunnenanlage mit Feldbahn
fĂĽr die Wasserversorgung des Lagers errichteten.
Die wiederholte Anregung meinerseits, sowie seitens unserer Ă„rzte beim japanischen
Kommando zur Isolierung der Tuberkulosen und Geisteskranken setzten Sie sehr geehr-
ter Architekt durch Ihren unermĂĽdlichen Fleiss und Schaffensdrang in die Tat um, indem
Sie für die oben erwähnten Kranken verwüstete Gebäude instand setzten, so dass diese in
isolierten Abteilungen untergebracht werden konnten.
Zur geistigen Ablenkung in dem traurigen Los der Kriegsgefangenschaft ist es auch
Ihrem Verdienst zuzuschreiben, dass ein verwüstetes Gebäude in ein Theater im Lager-
bereich umgewandelt wurde, in welchem alle Kriegsgefangenen so manche Stunden der
Aufheiterung erleben durften.
Gelegentlich der Errichtung und Einweihung eines Friedhofes in Perwaja Rjetschka
durch den Herrn Feldkurator Pater Spannbauer konnte auch ein Akt der Pietät für die
verstorbenen Kriegsgefangenen in Vollzug gesetzt werden, indem dortselbst ein gemein-
sames und wĂĽrdiges Denkmal errichtet wurde, dessen Entwurf und AusfĂĽhrung Ihrem Al-
leinverdienst zuzuschreiben ist.
Nicht nur dieses Denkmal sondern auch zahlreiche Einzelgrabmäler gereichten Dank
Ihrer MĂĽhewaltung zur allgemein anerkannten Zierde des Friedhofes.
Die größte Wertschätzung und Dankbarkeit, welche Ihnen sehr geehrter Herr Ar-
chitekt von allen Kriegsgefangenen zuteil wurde ist nicht nur auf Ihr vorerwähntes tat-
kräftige Wirken, sondern auch auf den Umstand zurückzuführen, dass auch Sie die In-
itiative dazu ergriffen um den Mitgefangenen Gelegenheit zur Arbeit und Verdienst zu
geben, indem unter Ihrer Leitung die Errichtung verschiedener Gebäude für das japani-
sche Hauptquartier in Wladiwostok, so im Munitionsdepot und in der Autoreparaturan-
stalt durchgefĂĽhrt wurde.
Zu Ihrem grossen Verdienst zählt auch die Vollendung des Baues der polnischen Kirche
in Wladiwostok, welche Sie in mĂĽhevoller Arbeit durchfĂĽhrten, da dieser Bau infolge der
Revolution im halbfertigen Zustand geblieben und das BaugerĂĽst zusammengestĂĽrzt war.
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273