Page - 193 - in Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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Aufträge und Rückschläge 193
der Firma zunächst eine solide technische und finanzielle Basis verschaffen wollte. Es ist
jedoch anzunehmen, dass nicht zuletzt finanzielle Probleme zu Streitigkeiten zwischen
den Partnern gefĂĽhrt haben. Auch wenn sich Rolf immer wieder zuversichtlich ĂĽber die
Entwicklung der Firma geäußert hat, so ist doch bekannt, dass deutsche Firmen nach
wie vor unter den Repressalien der ehemaligen Siegermächte des Ersten Weltkrieges zu
leiden hatten und in den Jahren 1923  /24 wirtschaftliche Probleme etliche deutsche Fir-
men in den Konkurs zwangen.
Jedenfalls scheint bereits einige Monate eine unerfreuliche Atmosphäre in Rolfs Büro
geherrscht zu haben, wobei – wie der Sohn meint – einmal mehr die schon zum Kli-
schee gewordene deutsche Überheblichkeit gegenüber dem kleinen österreichischen
Bruder mitgespielt haben dĂĽrfte. Schon im Juni 1923 schrieb Hermine in einem Brief an
ihre Schwiegermutter, in dem sie Probleme ihres Bruders mit einem Mitarbeiter schil-
dert: »Hier im Office ist es aber nicht anders, andauernd Ärger mit den Herren, es wird
gestänkert und gehetzt.«
Rolfs Mutter zeigte sich jedenfalls ĂĽber die beruflichen Schwierigkeiten ihres Sohnes
sehr beunruhigt, worauf Hermine in dem Brief vom Jänner 1924 antwortete: »Ja, du hast
wohl recht – viel Glück scheint er in seinen Unternehmungen nicht zu haben – aber es
ist wohl besser Du schreibst Ähnliches nicht wieder, gelt  ? Wenn Rolf auch daran nichts
findet – etwas gibt es ihm vielleicht doch zu denken, und seine Kraft und sein Wollen
darf in keiner Weise gelähmt werden.«
Später, im März 1924, beschreibt sie ihren persönlichen Eindruck von »den Herren«:
»Wittig, dieser edle Maulheld [  …  ] ist ein echter Deutscher, und weiss die Ellbogen recht
gut zu gebrauchen. Wie mir der Mann von Anfang an zuwider war – kann ich gar nicht
sagen – überhaupt beide Compagnons – ich war sozusagen erschlagen – musste immer
wieder an Vater und Ernst denken, was die wohl zu dieser Wahl Rolfs gesagt hätten.«
Obwohl Rolf zunächst beschlossen hatte, fortan in alleiniger Verantwortung zu ar-
beiten, und trotz seiner schlechten Erfahrungen mit Geschäftspartnern nahm er dann
doch den jungen Architekten Felix Skoff als Juniorpartner in sein BĂĽro auf. Skoff stamm-
te aus Ă–sterreich, war gemeinsam mit seiner Frau Hildegard nach China ausgewandert
und hat sich 1922 in Tientsin niedergelassen. Möglicherweise war Rolfs Entschluss je-
doch rein pragmatischen Gründen geschuldet. Er schrieb nämlich in einem Brief an seine
Schwester am 16. Oktober 1927, dass er sich im Zusammenhang mit der Liquidation der
Firma Yuen Fu Co. schon vor längerer Zeit als Angestellter Skoffs deklariert habe. Inter-
essant ist sein taktisches KalkĂĽl, das dahinterstand und mit dem er auch auf den Schieds-
spruch des Gerichts, der im Jahr 1927 erfolgte, reagierte: »Wie du wissen wirst, bin ich
wegen der Liquidation der Yuen Fu Co. mit einer chinesischen Bank in Rechtsstreit. Die
Bank hat nun in dritter und letzter Instanz Recht behalten und wir alle drei Partner sind
Rolf Geyling (1884-1952)
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Rolf Geyling (1884-1952)
- Subtitle
- Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
- Author
- Inge Scheidl
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79585-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 292
- Keywords
- Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
- Category
- Biographien
Table of contents
- Revolte und Reife 8
- Eine KĂĽnstlerfamilie 9
- Zwischen Abenteuer und Architektur 15
- Mädy 35
- Mobilisierung und Krieg 41
- Der Weg an die Ostfront 41
- Die Schlacht von Lemberg 48
- »Durch Landesbewohner verraten« 59
- Die Sanoffensive 62
- Schlacht bei Krakau 65
- Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
- Die »Angriffshast« der Infanterie 68
- Warten auf Befehle 70
- Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
- Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
- Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
- Kriegsgefangenschaft 91
- Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
- »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
- Die Jahre in Sibirien 96
- Der Transport in die Lager 96
- Dauria 115
- ArchitekturentwĂĽrfe in der Gefangenschaft 139
- Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
- Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
- China 173
- Ankunft 173
- Dies ist ja eine Ăśbergangszeit 182
- Aufträge und Rückschläge 189
- Das architektonische Werk 199
- Städtebauliche Planungen 203
- Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
- Villen 214
- Miethäuser 221
- Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
- Wir leben recht abgeschlossen fĂĽr uns 230
- Sehnsucht nach Ă–sterreich 238
- Ewige Ungewissheit 247
- Lao Gai Lin 257
- Epilog 265
- Literatur 269
- Bildnachweis 272
- Farbteil 273