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Rolf Geyling (1884-1952) - Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
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China 260 Und noch einmal tauchten bei Rolf Erinnerungen an alte Bekannte auf: »Es ist so schade, dass wir hier von allen alten Bekannten kaum mehr etwas wissen, und ein Heim- weh nach ihnen kommt mich immer mehr an.« Es zeigt sich, dass er und seine Frau es tatsächlich geschafft haben, sich all die Jahre von der Tientsiner Gesellschaft abzuschot- ten, wie sie dies laut den Briefen von Hermine von Anfang an taten: »Hier haben wir, trotz des langen Aufenthaltes kaum Bekannte die uns mehr fesseln als für den notdürf- tigen Verkehr. Brülls die Einzigen, haben heute auch andere Interessen, denn sie gravitie- ren nach Amerika, wo ihre [  Fr. Brülls  ] Brüder schon lange sind, und haben wenig Gefühl mehr für Österreich, das trotz Allem aber unsere Heimat bleibt.« Bittere Enttäuschung empfindet er auch über das Verhalten der jüdischen Emigranten in der Stadt, von denen viele nach der Reichskristallnacht im Jahr 1938 nach China geflüchtet waren. Die meisten wollten allerdings nicht bleiben, sondern nach Palästina oder in die USA auswandern. Seitens der Brülls hatte von Anfang an eine besondere Beziehung zu diesen Emigran- ten bestanden, da Brülls Frau selbst jüdischer Abstammung war. »Er [  Brüll  ] ist durch ein schweres Leiden hinfällig geworden, und gravitiert heute natürlich ganz zu den Emig- ranten, die uns hier, durch einen nichts zu stillenden Hass das Leben schwer zu machen trachten. Zwar wurden die meisten von den Deutschen, und natürlich besonders von Österreichern unterstützt und gefördert, selbst von manchem Pg. [  Parteigenosse, Mit- glied der NSDAP  ], um ihnen ihr Los zu erleichtern und sie etwas die furchtbaren Erfah- rungen vergessen zu lassen. Während sie damals alle Förderungen hingenommen ha- ben können sich Viele heute nicht genug tun die selben die ihnen geholfen haben zu verschwärzen und zu verfolgen. Die Zustände hier sind äusserst unerfreulich, und die ewige Ungewissheit aufreibend. Wir haben hier immer darunter gelitten dass Alles vom kaufmännischen Geist dirigiert wurde, der uns so gar nicht liegt, und dann kam noch der politische Geist hinein, der uns noch weniger liegt. So haben wir uns immer mehr vom gesellschaftlichen Leben zurückgezogen und leben heute recht abgeschlossen für uns.« Am Ende des Briefes berichtet er auch kurz von seiner Frau, wobei auch in diesen we- nigen Worten deutlich die geänderten Lebensumstände zutage treten: »Sie ist so tap- fer, sie geht heute einkaufen und kocht selbst, was Alles früher für China unmöglich ge- wesen wäre. Sie ist noch dünner geworden [  …  ] aber überraschenderweise fühlt sie sich wohler als früher, und ist trotz aller Aufregungen guter Dinge.« Die selbstgewählte Isolation in der Tientsiner Gesellschaft hat bei Rolf und Her- mine eine fast ausschließliche Konzentration auf die Familie bewirkt. Hermine beton- te einmal, dass sie nur für die Kinder leben, und vor diesem Hintergrund hatte das beabsichtigte Zusammenleben in dem gemeinsamen Haus, das Rolf in Tientsin er- richtet hatte, sowohl für Hermine als auch für Rolf eine große Bedeutung. Aber nicht nur diese erhoffte Lebensform blieb ein Traum, sondern die engen Familienbande
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Rolf Geyling (1884-1952) Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Rolf Geyling (1884-1952)
Subtitle
Architekt zwischen Kriegen und Kontinenten
Author
Inge Scheidl
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79585-8
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
292
Keywords
Architektur, Historismus, Jugendstil, Neue Sachlichkeit, Erster Weltkrieg, Ostfront, Kriegsgefangenschaft, Sibirien, China, Tianjin
Category
Biographien

Table of contents

  1. Revolte und Reife 8
  2. Eine Künstlerfamilie 9
  3. Zwischen Abenteuer und Architektur 15
  4. Mädy 35
  5. Mobilisierung und Krieg 41
  6. Der Weg an die Ostfront 41
  7. Die Schlacht von Lemberg 48
  8. »Durch Landesbewohner verraten« 59
  9. Die Sanoffensive 62
  10. Schlacht bei Krakau 65
  11. Kriegsalltag in der k. u. k. Armee 67
  12. Die »Angriffshast« der Infanterie 68
  13. Warten auf Befehle 70
  14. Bewegungskrieg in Nässe und Schlamm 74
  15. Schlacht bei Limanowa-Lapanow 78
  16. Die Schlacht von Tarnow-Gorlice 81
  17. Kriegsgefangenschaft 91
  18. Berichte zwischen Verklärung und Traumabewältigung 91
  19. »Kriegsordnung« und Kriegsgefangenenrealität 94
  20. Die Jahre in Sibirien 96
  21. Der Transport in die Lager 96
  22. Dauria 115
  23. Architekturentwürfe in der Gefangenschaft 139
  24. Zwischen den Fronten der »Weißen« und »Roten« Garde 149
  25. Antipicha – Perwaja-Rjetschka – Wladiwostok 159
  26. China 173
  27. Ankunft 173
  28. Dies ist ja eine Übergangszeit 182
  29. Aufträge und Rückschläge 189
  30. Das architektonische Werk 199
  31. Städtebauliche Planungen 203
  32. Öffentliche Gebäude und Geschäftsbauten 204
  33. Villen 214
  34. Miethäuser 221
  35. Gesellschaftliches Leben gibt es hier genug 224
  36. Wir leben recht abgeschlossen für uns 230
  37. Sehnsucht nach Österreich 238
  38. Ewige Ungewissheit 247
  39. Lao Gai Lin 257
  40. Epilog 265
  41. Literatur 269
  42. Bildnachweis 272
  43. Farbteil 273
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