Page - 1073 - in TYROLIS LATINA - Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
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Lat. im Unterricht
Lat. in bildungs-
politischen
Diskussionen
Karlheinz Töchterle
Epochenbild
Der Einschnitt der Märzrevolution bedeutete auch für den produktiven Umgang
mit der lat. Sprache eine gewisse Zäsur. Der österreichische Organisationsentwurf
fĂĽr das Gymnasium aus dem Jahre 1849 von Hermann Bonitz und Franz Exner, mit
dem die letzten Reste des alten Jesuitengymnasiums getilgt wurden und der Neu-
humanismus auch in Österreichs Schulen, wenn auch verspätet und abgeschwächt,
Einzug hielt, verzichtete erstmals explizit auf die aktive Sprachbeherrschung als
Hauptziel des Lateinunterrichts und setzte die Kenntnis bedeutender römischer
Leistungen auf den Gebieten von Literatur und Politik an seine Stelle. Damit eilte
man der Entwicklung in den deutschen Ländern nun sogar voraus, denn dort blieb
z.B. in PreuĂźen der lat. PrĂĽfungsaufsatz im Abitur, der in der Hauptsache das La-
teinschreiben in der Schule zementierte, noch bis 1890/91 erhalten.1
Dieser Wandel einer schulischen Zielsetzung ist einerseits Symptom, andererseits
aber auch Katalysator einer nun endgĂĽltigen Abkehr vom letztlich althumanisti-
schen Ideal lat. Sprachmächtigkeit, der eigentlichen Triebfeder der nlat. Literatur
insgesamt. Im Verlauf der hier skizzierten Epoche gerät das Lat. zudem verstärkt in
den Sog bildungspolitischer Diskussionen, wobei es bis in die Gegenwart haupt-
sächlich von konservativen Kräften vereinnahmt wird. Diese konservative Verein-
nahmung sicherte ihm seine Dominanz gegenĂĽber dem Griechischen zu Beginn des
neuhumanistischen Aufschwungs, spielte eine zentrale Rolle in der Frage der Hoch-
schulberechtigung und damit in der Ausdifferenzierung des Sekundarschulwesens
und ist in Ă–sterreich bis heute ein taktisches KalkĂĽl in der Diskussion um eine ge-
meinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen. Insofern ist das Lat. in die diese Epoche
prägenden und ihr Geistesleben mitbestimmenden ideologischen Gegensätze fast
immer zumindest mittelbar involviert, wobei es stets auf der Seite des Hergekom-
menen und also gegen das Neue steht. An ihm stößt sich v.a. der aufkommende
Liberalismus, zu dessen Wesenszügen ganz allgemein das Antiklerikale gehört. Im
Speziellen sind für Tirol antikatholische und antijesuitische Strömungen relevant,
die sich z.B. am 1855 abgeschlossenen (und 1870 gekĂĽndigten) Konkordat reiben
konnten. Rom blieb nichts schuldig und legte etwa gegen das kirchlichen Einfluss
zurückdrängende Reichsvolksschulgesetz von 1869 Protest ein. Der Liberalismus
1 Vgl. zu den folgenden Ausführungen v.a. Engelbrecht 1982–1988, Bd. 4 und 5 ; Fontana u.a. 1987 ;
Fontana u.a. 1988.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Volume 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- TYROLIS LATINA
- Subtitle
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Volume
- 2
- Authors
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Editor
- Karlheinz Töchterle
- Location
- Wien
- Date
- 2012
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 728
- Keywords
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322