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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Heimkehrer Schmeling wird in Ein Boxer im Adlon im Berliner Luxushotel als Deutschlands Retter gefeiert, von ironischer Distanz nahezu unbelastet, abge- sehen vielleicht von dem Hinweis auf die Kunst des Nasenbeinzerschmetterns. Man staunt: Erich Mühsam als nationalistischer Gelegenheitslyriker, der den deutschen Boxheroen schlechthin preist? Boxen dient auch hier, wie so oft, als Illustrationsmaterial des Eindeutigen; der Sport erscheint in einen spezifischen Schematismus gepresst und soll – besetzt mit Körperfetischismus, Nationalis- mus und Triumphgeschrei – eine eindeutige Teleologie vorspiegeln. Dass Boxen erweiterte Fragehorizonte eröffnen kann, zeigt jedoch ein zweiter Blick auf das Gedicht, das in der Originalversion den Titel Ruhm trägt und sechs Strophen aus je sechs Verszeilen im Kreuzreim umfasst. In dieser Fassung bezieht der po- litische Autor Mühsam gesellschaftsrelevante Fragen mit ein, die den Boxsport als ein Trägermedium kritischer literarischer Rede erscheinen lassen. So hebt das Gedicht an: Als der König aus dem Morgenlande, Amanullah von Afghanistan, mit uns knüpfte heiße Freundschaftsbande, ach, wie jauchzten wir denselben an! Wonnig blitzten damals auf dem Lehrter Bahnhof Freudentränen, Orden, Schwerter. Leider war von jenem man in Kabul weniger entzückt als in Berlin, und mit Flugzeug, Weib und Ehrensabul mußte er bald nach außerhalb verziehn. – Doch am Lehrter Bahnhof mit Gepränge gelten andern jetzt die Festempfänge.2 Mühsam spielt in Ruhm auf Amanullah Khan an, der sich als Monarch im po- litisch rückständigen Afghanistan um soziale Reformen bemüht und im Januar 1929 von den feudalistischen Machthabern zur Emigration gezwungen wird; am Lehrter Stadtbahnhof empfing der deutsche Reichspräsident Paul von Hin- denburg den Machthaber im Jahr zuvor. Erst der Bildbereich „Festempfänge“ am Ende des zweiten Verses öffnet in abruptem Szenenwechsel jenen zweiten Handlungsstrang in Ruhm, den das Berlin-Lesebuch unter dem Titel Ein Boxer im Adlon verfälschend und verknappt zitiert. Schmelings Sieg erscheint in Ruhm weitaus weniger glorios: ein Resultat körper-intensivierter Arbeit; Ein Boxer 2 Mühsam 1982, S. 145 (Hervorh. im Orig.) 22 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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