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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Da kam das rohe Stück an das Band und rückte vor von Mensch zu Mensch, von Handgriff zu Handgriff, jeder ausprobiert, die Eignung physikalisch und physio- logisch festgestellt die kürzeste Zeit für eine und immer dieselbe Handbewegung, denselben Muskeldruck, die immer gleiche Gedankenform! Von dem höchstbe- zahlten Maschinenteil Mensch wurde genaueste und rascheste Arbeit verlangt. Das Stück rückte vor, wer nicht in Sekundenpräzision zugriff, für den war es ver- loren – und damit seine Stellung – sein Leben! […] Das laufende Band, unent- rinnbar! Die um die Seele gewundene Kette von Folge zu Folge! Die nüchternes Grauen gewordene Weltherrscherin Technik und Logik! […] Denn alle waren Werkzeug am laufenden Band, an der unendlichen Kette! – […] Wer hatte noch Zeit? – Wer war noch Lump, Stromer, göttlicher Faulheit voll, – Poet? Wer schuf noch, statt zu arbeiten? Hatten sie nicht alle schon Maschinenherzen, waren von Tempo berauschte Spindelgehirne ohne Faden darauf – Leerläufer?352 Mit deutlich sichtbaren Körperattributen versehen, wird auch die Figur des Bo- xers zu einem amerikanisierten Musterbild der Moderne verklärt. Querschnitt-Re- dakteur Hermann von Wedderkop, der ab 1924 auch Herausgeber des Magazins ist, beschreibt das Auftreten des Boxers Hans Breitensträter: „Blond, blau, Gold an Zähnen, eine verhauene, im Wirbel herumgedrehte Nase, frisch, riskieren wir kurz ,jünglingsstark‘, gebräunt durch Schläge, Training. Zum Bewundern sachlich hingestellt.“353 In pathetischer Tonlage wird hier ein Boxer glorifiziert, dessen Statur zu einem „Symbol eines […] amerikanischen Körpers“354 erhoben wird. Bo- xer streben auch die „Taylorisierung ihres Tuns“355 an: Die Figur des Boxers wird zu einem Inbild des körperlichen Höchstleistungsakteurs und -ingenieurs, der sich für den Erfolg aus freien Stücken diszipliniert.356 Boxen bietet den Rationa- lisierungs- und Normierungstendenzen eine ideale Plattform – auch wenn, wie in dem zuvor angeführten Querschnitt-Text, einem nahezu idealtypischen Bild des Boxers mit derangiertem Antlitz gehuldigt wird: Die statuarische Schönheit des Boxers, in vielen zeitgenössischen Romanen beschworen, wird häufig durch einen Makel entstellt. Kants Formel in der Kritik der Urteilskraft von der Schönheit als Zweckmäßigkeit ohne Zweck scheint fürs Boxen weit besser geeignet als die schwärmerische Feststellung des offenbaren Schönheitsmangels. Gewissermaßen streben Boxer daneben die Mechanisierung des Lebensglücks an: Durch Boxen, 352 Gurk 1980, S. 96ff (Hervorh. im. Orig.) 353 Wedderkop 1921, S. 137f 354 Rase 2003, S. 119 (Hervorh. im Orig.) 355 Becker 1991, S. 217; vgl. Kohr, Krauß 2000, S. 66: „In der Arbeitersportbewegung wurde diese Entwicklung als ‚Sporttaylorismus‘ bekämpft.“ 356 Vgl. Fleig 2008, S. 52 86 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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