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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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und urbane Mentalität soll durch entsprechende Durchläufe in den Körper- schmerzkammern mitgeformt werden. Man trägt sportive Kleidung361 und jagt mit Hilfe eines „geradezu mathematisch errechnete[n] Trainingsschema[s]“362 Rekorden hinterher; man verspricht sich durch „eisernes Training“363, in strikt angenommener Kausalität allen Geschehens, „gerechten Lohn“364. In einem populären Boxfachblatt findet sich 1923 ein Holperreim als Verhaltensanlei- tung: „Weg mit allem Bücherknast“, so der Verfasser. „Meld’ dir an im Sport- palast.“365 Vor diesem Ideenpanorama wird Boxen zu einem Ideal praktizierter Körperschulung vereinfacht. Fordismus und Taylorismus erobern das Terrain des Privaten, das durch Training und Trainingstheorie gegen Erschütterung ab- gesichert werden soll. Der Körper wird zu einem „Objekt der Beherrschung“366 degradiert, die „totale Technifizierung“367 der Psyche erstrebt: Die Trainings- praxis soll zu Selbstherrschaft und sensibilisierter Selbstwahrnehmung führen, die systematische Trainingsarbeit an Sandsack und mit Sparringpartner neue Strategien der Lebensführung eröffnen368: Kraft- und Konditionssteigerung, Nervenstärke und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Boxen, legt der belgi- sche Schriftsteller Maurice Maeterlinck seinen Zeitgenossen den Sport drin- gend nahe, lasse den Menschen inne werden, dass er, was den „Gebrauch [der] Glieder, ihre Gewandtheit, Behendigkeit, Muskelkraft und Fähigkeit, Schmer- zen zu ertragen“369, angehe, auf die „unterste Stufe der Säuglinge oder Frö- sche“370 herabgesunken sei. Dabei gehen im Boxtraining Körperschulung und psychische Optimierung eine offen sichtbare Fusion ein. Das Einüben wird im Regelfall von Körperprägevorrichtungen und monotonen Bewegungsabläufen dominiert.371 Überlagert werden diese hoch ritualisierten Elemente des Körper- umbaus von psychophysischem Wappnen in Form von Disziplin, Askese und sozialer Zurückgezogenheit.372 Der Disziplinarparcours des Boxers fügt sich aus performativen und psychophysischen Praktiken zusammen, aus dem „‚Stäh- 361 Vgl. Dierker et al. 1986, S. 174f 362 Hermand, Trommler 1988, S. 78 363 Landmann 1928, S. 150 364 Giese 1925, S. 46 365 Zit. n. Behrendt, 1990, S. 84 366 Becker 1993, S. 304 367 Ebd., S. 305 368 Vgl. Fleig 2008, S. 29f; Frank Becker analysiert die Korrespondenzen zwischen tayloristischer Arbeitsorganisation und spezifischer Körperausbildung, vgl. Becker 1991, S. 210ff 369 Maeterlinck 1921, S. 115 370 Ebd. 371 Vgl. Liebling 2009, S. 44; Ellwanger 2008, S. 138; zu den diversen Boxtrainingsgeräten und Trainingszielen, vgl. Job 2003, S. 182f 372 Vgl. Kohtes 1999, S. 98f; Reemtsma 1997, S. 77 88 | Teil I. Zeitzeichen Boxen
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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