Seite - 94 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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von 1920 seinen Sport bereits nicht mehr offensiv; Flint erzählt ausführlich
die Geschichte des Boxens404 – und schreibt dem Sport erweiterte Bedeutung
zu: „Das Boxen ist nicht bloß“, erklärt der Praktiker, „ein Kampf der Füße und
Fäuste, nein, bei ihm werden Körper und Geist in gleichem Maße und zwar ganz
in Anspruch genommen.“405 Denken, Entschließen, Ausführen werde gefordert,
dazu Mut, Selbstbeherrschung, vornehme Gesinnung und Selbstvertrauen.406
Der Querschnitt stellt 1921 die rhetorische Frage, ob der „Boxsport roh“407 sei,
und in dem Gastbeitrag Soll ein Sportsmann heiraten? erteilt Hans Breitensträter
Lebenshilfe – und rät kennerisch dazu, man möge eine „vernünftige Frau“408
ehelichen. Der Sportfunktionär Carl Diem gibt 1923 in Sport ist Kampf seine
Leitsätze bekannt: „Trainieren heißt Sich-üben und Sich-härten.“409 Mitte der
1920er-Jahre weist der Berliner Mediziner Hanns Sippel in Boxen und Schule auf
die gesundheitlichen Vorteile des Boxens hin410; als kulturhistorisches Fachbox-
buch mit Übungscharakter versteht sich bereits Boxen von Willy Meisl, 1925
in der populären Stadion-Bücher-Reihe erschienen: Meisl berichtet darin auch
über die „Historie des Faustkampfes“411; die Frage, weshalb man boxe, liefert
eine mit Lebenskampf, Konfrontation, Körperveredelung und spezifischen Dar-
stellungen des Agonalen verbundene (kurze) Antwort: „Um unser Ansehen zu
stärken.“412 Der Querschnitt druckt 1926 unter dem Titel Die Psychologie des Bo-
xens einen Auszug aus Georges Carpentiers populärer Schrift Meine Methode des
Boxens.413 Die Anleitung Wie der Boxer trainieren muß rät 1927, zwei Tage vor
Beginn des Trainings ein „scharfes Abführmittel“414 einzunehmen, um „Körper
und Blut“415 zu reinigen.
Ab 1933 – mit Hitlers Wahl zum Reichskanzler und dem kaum verhüllten
Terror der Straße – ändert sich das Bild. Gerhard Voigt stellt 1934 in Der Box-
sport im Schulturnen die „glückliche Verquickung von körperlicher Ertüchtigung
und […] soldatischer Erziehung“416 im Boxen fest; Ludwig Haymann thema-
404 Vgl. ebd., S. 12–24
405 Ebd., S. 31
406 Vgl. ebd.
407 O. F. 1921, S. 221 (Hervorh. im Orig.)
408 Breitensträter 1932, S. 394
409 Diem o. J., S. 8
410 Vgl. Sippel 1925, S. 163f
411 Meisl 1925, S. 9
412 Ebd., S. 8
413 Vgl. Carpentier 1926, S. 383f
414 Slim 1927, S. 3
415 Ebd.
416 Voigt 1934, S. 9
94 | Teil
I.
Zeitzeichen
Boxen
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440