Seite - 125 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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teilt der Boxer Schläge aus, die den Gegner die Sterne sehen lassen.47 Die Ana-
lyse der Feinstruktur der boxliterarischen Metaphern wird zeigen, dass der
kalkulierten Suggestion des Boxens als sensationslüsternes Spektakel eine we-
sentliche Funktion zukommt. Die bildhaft entworfenen Boxerbeschreibungen
wirken wie Beschwörungsformeln am gleichsam diskursiven Nullpunkt: Ohne
weiterführende Verankerung werden die unterschiedlichen Bildfeldbereiche al-
lein deshalb bemüht und ausgereizt, um das Boxsportheldentum allgemein zu
legitimieren. Es stelle sich die Frage, wendet sich Bertha in Das Erwachen des
Donald Westhof an Donald, ob in einem „unsauberen Körper eine reine Seele“48
wohnen könne. Der trivialliterarische Textkorpus findet darauf keine Antwort,
weil er sich nahezu vollständig von jeder Form introspektiver Psychologie ab-
wendet; auch deshalb ist man auf die Darstellungsleistung des Metaphorischen
angewiesen. „Bei mir gibt’s nichts zu forschen“49, räumt Tom King in Athleten
gegenüber seiner Frau ein, der adeligen Intellektuellen Wanda. „Ich bin kein
Rätsel. In mir sind keine Geheimnisse. Ich habe aber schon erfahren, daß man
der Einfachheit nicht glaubt und mit ihr nichts anzufangen weiß.“50 Die sym-
ptomatische Überstilisierung eines jungen Mannes vom denkfaulen Sport-
enthusiasten51 zum „Urmensch“52 und „Raubtier“53, das gehetzt seine Runden
zieht, findet sich wiederum in Horst Hellwigs Boxerroman Der Mann am Faden
charakteristisch abgebildet. Tom wird darin von „Boxfieber“54 gepackt, worauf
sein Trainer anmerkt: „Bestimmt! Sie haben den richtigen Kämpfergeist, das
Blutgierige.“55 Im Ring stellen seine Gegner für Tom Hindernisse „aus Fleisch
und Blut“56 dar, die er „niederschlagen mußte“57. Nach dem Kampf verspürt
die „Muskelmaschine“58 für kurze Zeit eine „sonderbare Leere“59, nur um an-
schließend mit Lob und Anerkennung überschüttet zu werden. Der Masseur
schwärmt von Toms Haut: „wie Seide“60; ein junger Bewunderer huldigt der
47 Vgl. Junghanns 2001, S. 4f
48 Hollaender 1927, S. 156
49 Wohlbrück 1921, S. 88
50 Ebd.
51 Vgl. Hellwig 1931, S. 10
52 Ebd., S. 215
53 Ebd., S. 68
54 Ebd., S. 24
55 Hellwig 1931, S. 33
56 Ebd., S. 68
57 Ebd.
58 Ebd., S. 123
59 Ebd., S. 75
60 Ebd., S. 100 125
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440