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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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auftreten. Die offene These, wonach die Boxerfigur durch die Dialektik von An- ziehung und Abstoßung an massenwirksamer Attraktivität gewinne, wird durch Tier-, Mechanik- und Körpermetaphern gestützt: Sprachliche Übertragungen mit einem Maximum an symbolischer und allegorischer Bedeutung finden sich in den trivialboxerischen Schriften häufig. Seinen Reiz auf Hunderttausende Le- ser gewinnt das trivialliterarische Schreiben über Boxen aus jenen Umspringbil- dern, die wie am Fließband kreiert werden.138 In der Absicht, ein dialektisches Spannungsfeld zu eröffnen, werden Boxer zugleich als Akteure dargestellt, deren sportliches Agieren sich in den konservativ unterfütterten Wertekanon von bür- gerlicher Tugendhaftigkeit und Bescheidenheit, Moral und Order, Toleranz und Gerechtigkeit einfügt. In seiner populären Schrift Meine Methode des Boxens be- hauptet der französische Boxer Georges Carpentier, dass das „Leben eines Boxers das reinste und moralischste ist oder wenigstens sein sollte, wenn er wirklich auf Erfolg bedacht“139 sei. „Der gewissenhafte Boxer ist ein wohlerzogener, anstän- diger Mensch, ein Gentleman und eine Zierde seiner Nation.“140 Hans Natonek weist in Bruder Boxer darauf hin, dass es im Boxring so moralisch wie „objek- tiv“141 zugehe. Der Versuch, die Typologie des Boxens metaphorisch aufgefächert vorzuführen, ist von diametral angelegten Beschreibungs- und Körpercodes ge- prägt142: Die trivialliterarische Rede definiert die Gestalt des Boxers einerseits als Mann, der „eisenharte Muskeln, aber wenig ‚brain‘“143 besitze, als einen des Lesens kaum mächtigen „Dickschädel“144 und „Eisblock“145 – man fürchtet ge- radezu, der „Neandertalermensch“146 treibe erneut sein Unwesen; andererseits erscheint der Faustkämpfer glorifiziert als „Kopfboxer“147, „Naturboxer“148 und 138 Auch die elaborierte Literatur greift darauf bisweilen darauf zurück: Hilflos „wie ein Knabe“ steht Dempsey, der „Meister aller Klassen, aller Kontinente“, in Paul Zechs Ballade von dem großen Boxer Jack Dempsey nach dem Kampf im Boxsportring, vgl. Zech 1956, S. 365 139 Vgl. Carpentier 1996, S. 150 140 Ebd., S. 151 141 Natonek 1994, S. 230 142 Ein Beispiel strikter Distinktion gibt Noel Calef in den 1960er-Jahren: „Für Boxergeschichten gibt es zwei Fassungen: einmal ist es ein gigantischer Holzhackertyp, stark wie ein Türke, den ein gewitzter Manager im Wald entdeckt hat, das andere Mal ein kleiner Junge, der einem Profi bei einer Rauferei aufgefallen ist.“ (Calef 1965, S. 5) 143 Sigleur 1940, S. 17 144 Ebd., S. 56 145 Ebd. 146 Hollaender 1927, S. 267 147 Sigleur 1940, S. 56 148 Wohlbrück 1921, S. 328; Budd Schulberg greift Ende der 1960er-Jahre in der auf Anfang der 1920er-Jahre datierten Erzählung Ausgesorgt auf das Arsenal der doppeldeutigen Boxerbeschreibun- gen zurück: „blöder Holzkopf“ – „Publikumsliebling und K.O.-Künstler“ (Schulberg 1969, S. 159) 133 Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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