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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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bigen“254, hin zum, wie Hermann Sinsheimer in Box-Arena anmerkt, „Tempel- chen des Boxringes“255. Die marktschreierische Stimme des Stadionsprechers gibt die Losung vor: „Wehe den Gerichteten!“256 Den kampferschöpften Boxern wird in Hans Natoneks Eloge Bruder Boxer profane Apotheose in Form eines ritualisierten Säuberungsaktes zuteil: Barmherzige Samariter stürzen nach jedem Kampfakt in den Ring, fächeln mit hingebendem Eifer Kühlung, laben mit Essenzen, massieren die bebenden Flan- ken, reichen Riechsalz und trocknen den Schweiß der Kämpfer, die mit ausgebrei- teten Armen, wie gekreuzigt an den Seilen, sich ihren Pflegern überlassen. Sogar aus einem – sehr natürlichen – Flakon werden sie, wie Blumen, angesprüht:  Der Samariter nimmt einen kräftigen Schluck Limonade, die er mit geblähten Backen seinem Pflegebefohlenen ins Gesicht sprudelt. Und zum Schluß gießt er dem Ge- schlagenen eine halbe Flasche Mineralwasser auf das erhitzte Haupt.257 Kirche, Glaube und Religion werden in der anbrechenden Epoche von Tech- nik und Wissenschaft zu Begleiterscheinungen; Frank Becker geht in Amerika- nismus in Weimar so weit, von der „Auflösung und Zerstörung“258 der sakralen Sphäre in der Zeit der Weimarer Republik zu sprechen. Max Weber erteilt in seinem Essay Wissenschaft als Beruf noch zu Beginn der 1920er-Jahre jenem Zeitgenossen, der das „Schicksal der Zeit“259 nicht ertrage, den Ratschlag, sich reumütig von der Großreligion Sport abzuwenden: „Er kehre lieber, schweigend, ohne die übliche öffentliche Renegatenreklame, sondern schlicht und einfach, in die weit und erbarmend geöffneten Arme der alten Kirche zurück.“260 In der messianischen Gestalt des Boxers als halbnackter Matador in grellem Licht, umstellt von tausendköpfiger Jüngerschaft, feiern Metaphysisches und Mysti- sches in bizarrer Maskerade Wiederauferstehung. Wie erwähnt, weist Boxen in den Jahren der Weimarer Epoche auch eine Schlagseite ins ökonomische Kalkül auf, in dessen Mittelpunkt Geldprämien und -erwerb stehen; das Kraftkörperkapitel eines Boxers ist unmittelbar und direkt in ökonomischen Wert konvertierbar. In Anlehnung an Foucault sollte dem Ökonomischen per se ein viel größerer Gestaltungsspielraum zuerkannt werden, um die Verklammerung von diskursiven Elementen entsprechend zu 254 Gurk 1980, S. 303 255 Sinsheimer 1994, S. 232 256 Ebd., S. 234 257 Natonek 1994, S. 231 258 Becker 1993, S. 235 259 Weber 1951, S. 596 260 Ebd. 146 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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