Seite - 153 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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„schreiende Plakate“323; durch Zettelverteilen324, Couplets-Vorträge325 und Lit-
faßsäulen326, eines der wichtigen medialen Vermittlungswerkzeuge der Zeit,
werden dem Publikum die Austragungstermine der Großkampftage „einge-
hämmert“327. Der nächste Kampf von Tom ist in Der Mann am Faden bereits
angekündigt. „Von den Plakatsäulen herunter lachte Tom sein frisches Matro-
senlachen. Neben ihm grinste die zerschlagene, bösartige Kämpfervisage des
Tigers.“328 Boxen wird zum Ankerpunkt einer medial vernetzten Sportkultur. In
Der große Kampf ist ein Duell angekündigt:
Ungefähr fünf Tage vor dem Kampf war die Spannung bis zur Siedehitze gestie-
gen. Die Redaktionen der Tageszeitungen hatten besondere Telephonleitungen
nach der Riesenarena legen lassen, die an dem schmalen Tischchen vor dem Sitz
ihres Berichterstatters mündeten. Der Ring war von über hundertfünfzig Tele-
phonen umgeben, von denen aus in der Pause zwischen jeder Runde die genaue
Inhaltsangabe des Vorangegangenen an die Hauptredaktion telephoniert werden
konnte. Dort hingen dann Leute am Apparat, die das Gehörte sofort an die Fili-
alen weiterzugeben hatten. Auf dem Dache sämtlicher Redaktionen aber standen
riesige Lautsprecher, die die Rundenergebnisse den Menschen auf den Straßen
zubrüllten, die dann in dichten Scharen die Zeitungshäuser umlagern würden.329
Die Überrepräsentation des Boxens zeitigt auch in Der Mann am Faden Wir-
kung:
Tagelang hörte man auf der Straße nichts anderes sprechen, als von dem neuen
berühmten Boxer. Tom schwoll der Kamm gewaltig. An jeder Straßenecke war
sein Bild zu sehen, und wo er ging und stand, bildete sich eine kleine Menschen-
ansammlung um ihn. Er hielt sich für den wichtigsten Mann der Welt.330
Die Namen der Boxer rollen durch „alle Rotationsmaschinen Deutschlands“331.
323 Ebd.; vgl. Wohl 1927, S. 65 u. 220
324 Vgl. Wohlbrück 1921, S. 160
325 Auf der Berliner Kleinbühne Unter den Linden wird etwa das Chanson von der „Boxerprinzes-
sin“ gegeben, vgl. Wohlbrück 1921, S. 168
326 Vgl. Hellwig 1931, S. 19 u. 40
327 Schievelkamp 1920, S. 192
328 Hellwig 1931, S. 164; zu den unterschiedlichen medialen Anpreisungsformen des Boxens im
urbanen Raum vgl. Schievelkamp 1920, S. 186f; Wohlbrück 1921, S. 62; London 1960, S. 24
329 Wohl 1927, S. 251
330 Hellwig 1931, S. 46
331 Ebd., S. 86 153
Kraft-
und
Körperkulte:
Boxsport-Mode
im
Unterhaltungsroman
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FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440