Seite - 183 - in FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Die dialektal gefärbten Auskünfte des Athleten verstärken den Eindruck vom
Sportler als Simpel und Schlägertyp:
Welche Bücher lesen Sie?
Am Abend nimm i die halbe Zeitung am Aburt aussa.
Womit befassen Sie sich in der freien Zeit?
Trainieren.
Und in der andern?
Trainieren.
Ihre politischen Ansichten?
Da schauen S’ her, mei Pratzen!
Ihr Verhältnis zur Philosophie?
Oarsch.
Welche Musiker lieben Sie am meisten?
Mtata … mtata … mtata …
Lieblingsfarbe? Lieblingsgeruch? Lieblingsspeise?
Gselchts. Gselchts. Gselchts.
Ihre Einstellung zum Erotischen?
Wann sa si trifft.
Was halten Sie von der Völkerversöhnung?
Durchwatschen, wer si net versöhnt!
Noch eine Frage: wen stellen Sie höher, Nurmi oder Einstein?
Wer der Bessere lauft, ist der größere Physikalist.140
Die in Huldigungsabsicht vorgenommene Annäherung verkehrt sich in einen
verbalen Schlagabtausch, der Aufschlüsse über die Mentalitäten sowie geistigen
und moralischen Verfasstheiten des Boxers liefert. In Summe entsteht ein ka-
rikiertes Bild des Boxers, das dem standardisierten Erscheinungs- und Vorstel-
lungsdessin im Trivialroman und dem hagiographisch überhöhten, in der Öf-
fentlichkeit dargebotenen Weimarer Boxsportler-Image diametral widerspricht.
Von sublimer Ironie bis zu beißendem Sarkasmus werden alle Register der
Polemik gezogen. Der Boxer hat in Wie schreibt man über einen Boxer? auf be-
stimmte Fragen nebulöse oder gar keine Antworten parat; vor die Entscheidung
gestellt, sich zwischen sportlicher und intellektueller Höchstleistung, zwischen
dem Leichtathleten Paavo Nurmi und Albert Einstein zu entscheiden, gewährt
Boxer Ferry bemerkenswerte Einblicke in ein von Sport und Konkurrenz domi-
niertes Lebensmodell. „Wer der Bessere lauft“, entgegnet Ferry in ungeordneter
140 Ebd. 183
Box-Demontage:
Faustkampf
in
der
elaborierten
Erzählliteratur |
FAUST UND GEIST
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Titel
- FAUST UND GEIST
- Untertitel
- Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
- Autor
- Wolfgang Paterno
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2018
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20545-6
- Abmessungen
- 16.1 x 25.5 cm
- Seiten
- 446
- Schlagwörter
- Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen 15
- Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
- Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
- Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
- Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
- Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
- Ringfeldsichtung 113
- Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
- Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
- „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
- Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
- ZUSAMMENFASSUNG 389
- ANHANG
- Bibliografie 402
- Bildnachweis 438
- Dank 439
- Namensregister 440