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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Die Figur des Boxers steht im neuralgischen Zentrum eines inhaltsleer gewor- denen Reiz-Reaktion-Prozesses – Boxen als das Zeitzeichen schlechthin ver- kümmert unter Bleis Zugriff ein für alle Mal zu einem schalen Ausdruck von Posertum und Attitüde. Nach all der Zeit synthetischer Heroisierung (und den Myriaden an Zeitungsberichten und Boxsportbetrachtungen) scheint dem Au- tor der ideale Moment für eine Bilanz gekommen: Blei zwingt das Boxen mit spöttisch-kritischer Geisteshaltung und Gelassenheit (die antiken Griechen wussten noch um die Veranlagung der Sportler!) in die Sackgasse der Bedeu- tungslosigkeit. Die von Krenek, Kuh, Roth und eben Blei literarisierten Boxer sind als sprachlose, marionettenhafte Krakeeler konzipiert, umgeben und umtost von aufgewiegelten Publikumsmassen, die ihr stark simplifiziertes Boxerbild zu ab- soluter Eindeutigkeit zu bringen suchen. Der Boxer, bemerkt Hanns-Marcus Müller, sei dann schon Boxer, „wenn er nur bis zehn zählen kann und in seinem Leben mehr Zähne verloren hat als grammatikkonforme Worte, ist dann Phi- losoph, schon weil er boxt“171. Die genannten Autoren präzisieren dieses Boxer- bild. Sport sei, konzediert Ödön von Horváth in seinem späten Essay Was soll ein Schriftsteller heutzutage schreiben?, zwar ein „Fundament zur Entwicklung der Individualität“172 – aber es handle sich, so Horváth kategorisch, um „eine völlig ungeistige Individualität“173. Die Desillusionierung des Boxens als eines Symbolbereichs der Moderne, auf dem die Sportler als neue, tatkräftige Menschen erscheinen, mündet am Ende in Akte fortschreitender Brutalität; für die TV-Ära im 20. Jahrhundert, vermerkt der deutsche Autor Fritz Tietz dazu analog, verliefen Boxkämpfe übertrieben „fleischwundig“174. Wie weit sich die ironisch-distanzierte Schreibweise aus dem Boxen indes eliminieren lässt, verdeutlicht Victor Hugo in seinem Ro- man Die lachende Maske, in dem Ringszenen mit Brutalitätsexzessen nahtlos konvergieren; einem Boxer werden hier eine „Rippe eingedrückt und beide Au- gen ausgeschlagen“175; in Jack Londons Erzählung Der Mexikaner Felipe Rivera findet im Ring ein „Blutbad“176 statt, bei dem sich die Gegner gleichsam mit „Haut und Haaren“177 fressen. Mit ironischen Attribuierungen und einer gegen den Strich gebürsteten Verwendung von Wortfeldern, die für gewöhnlich das Faustkämpfen bebildern, stellt dagegen der avancierte Weimarer Erzählkanon 171 Müller 2004, S. 47 172 Horváth 1988a, S. 867 173 Ebd. 174 Tietz 2005, S. 95 175 Hugo 1962, S. 176 176 London 1960, S. 32 177 Ebd. 189 Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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