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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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chen“232: „Selbst ohne Kleidung ist er jemand.“233 Der Typus des modernen, in die Prozesse von körperkultureller Technisierung und wirtschaftlicher Rationalisierung eingebundenen Mannes, der in der Figur des Boxers Kontur erlangt, wird in der elaborierteren Prosa des Pompösen und Monumentalen weitestgehend entledigt; die Triumph-Titanen-Topoi, die sich durch weite Teile der Wirkungs- und Inter- pretationsgeschichte des Boxens ziehen, werden nachgerade entsorgt, von Auto- rinnen und Autoren, welche die Überbetonung des Körperlichen und der Kult um den boxsportlich gestählten Leib tiefgreifend irritiert. Die Emphase unbedingter körpertechnischer Avantgarde, mit der Boxen in das Weimarer Mentalitätsgebilde eingeknüpft und berufsromantisch assoziiert ist, enthüllt diese Literatur als Spekta- kel und Simulation: als Teil einer außerordentlichen Sportinszenierung wie als dis- kursives Schaltelement jenes Mechanismus, der Boxen an das Versprechen koppelt, durch Sport dem Daseinsgrund gleichsam näherzurücken.234 Der in Zeitungen und Zeitschriften verbreiteten Mär von Sieg, Triumph und Aufstieg des Boxers wer- den Darstellungen sportlicher Brutalisierung gegenübergestellt; das Auftreten der Athleten wird von überspannten Mystizismen bereinigt, die ritualisierten Verhal- tensweisen der Boxer erfahren kritische Ausdeutung. Boxen wird als Popularisie- rungs- und Glorifizierungskraftakt erkennbar gemacht, dessen eigentlicher Zweck ein fortlaufendes Forcieren von Oberflächenreizen ist; im kritischen Schreiben über Boxen treffen sich die Fluchtlinien der Demaskierung und der Offenlegung von Gemeinplätzen. Die weitestgehend unhinterfragt zugeschriebenen körperlichen Eigenschaften von Boxern werden in literarisierte Athletenfiguren rückprojiziert, die als Vertreter einer karikierten Körpershow erscheinen, von Pseudostilisierung und körpermodelliertem Perfektionismus fast gänzlich befreit: Der Verklärung der zu nachgerade heiligen Instrumenten geadelten Fäuste des Boxers wird argumenta- tiv entgegengetreten; die Chimäre der Körpermessbarkeit aufgelöst. Die zum Mus- kelrelief modellierten Körper der Boxer werden konsequent auf ihr eigentliches „Handwerkszeug“235 reduziert. Die Karikatur des Körperlichen erzeugt ungeheure Komik: „Die Ärmel laufen ohne Übergang plötzlich in zwei ganz überwältigende Fäuste aus“236, staunt Joseph Roth in Der Boxer. „Ich sehe nur Fäuste. Eine Stimme stellt die Fäuste vor. Sie heißen: Harry Schwarz. Die Fäuste bewegen sich nach hinten, offenbar die Folge einer Verbeugung des unsichtbaren Menschen, den sie 232 Ebd., S. 207 233 Ebd., S. 208 234 Wolf-Dietrich Junghanns stellt die berechtigte Frage, inwiefern die „Bewunderung für Faust- recht-Taktiken im 19. und 20. Jahrhundert mit Erlebnissen gesellschaftlicher Ohmacht, Orien- tierungslosigkeit und Unsicherheit“ zusammenhängen, vgl. Junghanns 1997, S. 149 235 Michalczewski 2004, S. 8; vgl. ebd.: „Meine Hände sind mir heilig.“ 236 Roth 1989a, S. 143 198 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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