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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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doch, daß er Bantam war? Diese Leute haben im allgemeinen keinen Schlag, und Freddy war noch dazu eine ganz besonders windige Erscheinung, wenn man ihn so sah.“87 Man vermeint geradezu, Brechts Gelächter ob seines Sportschützlings Meinke zu vernehmen: Meinke etabliert einen „unnatürlichen Schlag“88; er boxt zuerst unter dem „Kosenamen“89 Freddy, dann trägt er „einen erstklassigen Namen“90: Kinnhaken. Durch Training versucht er, seinen Körper zu einem Werkzeug seines Willens zu formen: Die Selbsttechnik sei lediglich eine „Folge von Sichzusam- mennehmen“91, erklärt der Erzähler im Text. Boxen wird – ohne das hohle Pathos der Unterhaltungsliteratur – zu einer Praxis der Selbstbeherrschung, zur Schulung kontrollierter Machtausübung. Der Sport erweist sich so als eine Kulturtechnik, die dem kausalen Denken der Moderne mit seinen Postulaten der Zweckmäßigkeit, Körperindustrialisierung und Subjektformierung entspricht. Als schlagtrunkener Athlet ohne nennenswerte Wirkkraft erscheint Meinke als ein jämmerlicher ath- letischer Ausdrucksträger der Zeit, der sich zugleich mit dem Impuls drastischer boxerischer Transformation konfrontiert sieht: Er verwandelt sich von einer be- lächelten, beim Fototermin in Damenmode gewandeten Jammergestalt zu einem Sporthelden im Scheinwerferlicht: „Aber dann hatte er plötzlich ein Tempo wie ein Propeller, und dazu ein Hineingehen wie mit fünfzig Pferdekräften.“92 Der fe- tischisierte Blick auf das Boxen gibt Brechts Überdruss an der Übercodierung der Boxerfigur frei. Brecht rekurriert in Der Kinnhaken deshalb auch auf die mit Boxen assoziierten Binäroppositionen von Sieg und Niederlage, Held und Verlierer, indem er Meinke vor die „Chance seines Lebens“93 stellt. Das Muster sozialen Aufstiegs durch Boxen kommentiert der Autor mittels Inversion: Meinkes Qualifikation, in einem Meisterschaftsduell anzutreten, ist nicht Ergebnis sukzessiven Durchboxens – vor dem Kampf um die Meisterschaftskrone boxt Meinke „einige Monate in klei- neren Städten wie Köln und so in der Provinz herum“94; beiläufig räumt Brecht ein, dass Freddy auf das maßgebliche Titelduell warte: „Er hatte an diesem Abend ei- nen ausgewachsenen Erfolg und steuerte direkt auf den Meisterschaftskampf zu.“95 In der Figur des Boxers Meinke laufen die Fäden zusammen: Und „am Schluß war der ganze Mann wirklich ein einziger Kinnhaken“96. Brecht etabliert das Bild 87 Ebd. 88 Ebd., S. 207 (Hervorh. WP) 89 Ebd., S. 205f (Hervorh. WP) 90 Ebd., S. 206 (Hervorh. WP) 91 Ebd. 92 Ebd. 93 Ebd. 94 Ebd. 95 Ebd. 96 Ebd. 250 | Teil II. Im Moderne-Labor
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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