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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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des Boxers als Triumphator mit paradoxem Hintersinn: Als Meinke nach seinem siegreichen Boxkampf zu dem Kreis der vier Sportsympathisanten in der Trink- halle stößt, wird die allgemeine Behauptung von der Besonderheit des Boxsport- lers schnell erschüttert. Die Respektsbezeugung der alkoholseligen Fans gestaltet sich illustrativ überbordend: Meinkes „Rücken [wird] fast kaputt [ge]klopft“97; der Ringschwerarbeiter sitzt wie ein Häuflein Elend am Tisch. Im Wissen um die glorifizierte Heroenfiguren – Schwergewichtsboxer son- nen sich als Mr. Amerika98 oder als „Herakles“99 im Glanz ihrer Majestät – verstärkt sich die Signalwirkung des durch Schulterklapse erschütterbaren Leichtgewichtsboxers. Unter Haut und Nacken der Schwergewichtskraftprotze bäumen sich Muskelberge auf, als kröchen Untiere über das Skelett; Meinke repräsentiert dünnhäutige Verwundbarkeit. Dem künstlichen Berauschungs- mittel Boxen geht Brecht nicht auf den Leim: Sport und Rekreation, Ringerfolg und Triumphfeier, Ringprotagonist und Boxsport-Privatier als sich gegenseitig bedingende Faktoren geraten durcheinander. Die Tätigkeit des Boxens ist in Der Kinnhaken nicht mehr alleiniger Ausgangs- und Ankerpunkt der literari- schen Darstellung; gezeigt wird, wie ein „‚Held‘ gemacht wird“100 – und sich selbst macht. Brecht findet dafür spezifisch zeitgebundene Exemplifizierungen: Meinke kauft sich ein „Motorrad auf Abzahlung“101, obwohl er das Motorrad- fahren nicht beherrscht; er will es lernen.102 (Der Erzähler in Der Kinnhaken kommentiert einschränkend, dass ihn das „natürlich gar nichts“103 angehe.) In der Weimarer „Welt der Maschinen und Motoren“104 füllt des Boxers Wunsch nach Motorisierung die Lücke im Bild von der „fiebernde[n] Kultur […] der roaring twenties“105. Meinke sorgt als Teil der neuen Geldelite zu Beginn des 20. Jahrhunderts für eine rasche Verbürgerlichung der Verhältnisse. Noch vor seinem Kampf um die Leichtgewichtskrone verlobt er sich – mit „einem re- gelrechten Hausstand am Horizont, womöglich noch mit Nußbaumbetten und Bücherschrank“106. Dies sei, staunt der Erzähler, eine „ganz dicke Sache“107 – auch wenn der Berichterstatter die Vorgänge nur vom Hörensagen kennt („wo- 97 Ebd. 98 Vgl. Rigauer 1982, S. 91 99 Kohtes 1999, S. 96 100 Knopf 1996b, S. 248 101 Brecht 1997a, S. 207 102 Ebd. 103 Vgl. ebd. 104 Rothe 1981, S. 140 105 Kühnst 1996, S. 294 (Hervorh. im Orig.) 106 Brecht 1997a, S. 206 107 Ebd. 251 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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