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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Kampfaktion und Faustschlägerei motivierten Vorabkommentar mit auf den Weg: „Sie betrachten den unerklärlichen Ringkampf zweier Menschen […]. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf über die Motive dieses Kampfes, beurteilen Sie unparteiisch die Kampfform der Gegner und lenken Sie Ihr Interesse auf das Finish.“234 In einem mit Boxkämpfe überschriebenen Gedicht erprobt Brecht ebenfalls 1923 die semantische Schnittmenge von Boxen und Militarismus-Pa- rodie: „Das ist ein guter Artillerist / Der seinen Feind nicht haßt oder liebt / Der den Feind nicht kennt, ob er braun oder blond / Und der ihm Saures gibt.“235 Der Kanonier aus dem Vers, der die Einschläge seiner todbringenden Geschütze gewöhnlich aus sicherer Distanz registriert, findet sich unversehens in einen boxkampfähnlichen Nahkampf verstrickt: Verpass dem Feind, lässt Brecht ein imaginäres Ringpublikum toben, eine ordentliche Tracht Prügel! Kriegsfana- tismus anno 1914 wird hier in die gesellschaftspolitische Arena zu Beginn der 1920er-Jahre zurückverlagert. Zwei Jahre darauf versetzt der Autor dem stili- sierten Akt des Kämpfens im Gedicht Wenn man das gesalzene Krabbenzeug aß einen weiteren Schlag. Wiederum erweist sich Brecht als nicht gerade vertrau- enswürdiger Sportkult-Chronist: Die Figur des Boxers, die im grellen Licht der Öffentlichkeit agiert, wird in das unheildrohende Ambiente eines „Saloons“236, bevölkert von neun Seeleuten, rücktransferiert, worauf sich eine Kneipenschlä- gerei entfaltet: „Und es schließt eine Faust mit einem Schlag / Ein Auge, das zuviel sah.“237 Boxen erscheint nicht länger als Inbegriff des Selbstzweckhaf- ten in allen Lebensbereichen: Seine Kritik an der überschießenden boxerischen Kampfeslust spielt Brecht über die Bande von Kampf und Körperlichkeit. Deut- lich wird dies auch in Der Lebenslauf des Boxers Samson-Körner. Boxen als ein Vehikel, kämpferisch ans Ziel zu gelangen, wird hier erneut von Brecht der Ent- larvung und Entzauberung unterzogen. Samson-Körner gerät mit 16 Jahren – er ist zu diesem Zeitpunkt bereits „groß wie ein Mastbaum“238 – zum ersten Mal mit Boxen in Kontakt. Auf einem Rummelplatz in Cardiff, in Begleitung eines 13-jährigen Mädchens, bemerkt er in einer Bude aus Leinwand eine Gruppe von Boxern.239 „Und zwar waren zwei Leute da, die fest engagiert waren, sich gegenseitig die Köpfe zu verdreschen, und außerdem konnten sich auch aus dem Publikum Leute melden, die Keile haben wollten.“240 Nach kurzem Zögern 234 Brecht 1989b, S. 438 235 Brecht 1993c, S. 272 236 Brecht 1993h, S. 326 237 Ebd. 238 Brecht 1997b, S. 222 239 Vgl. ebd., S. 222f 240 Ebd. 267 „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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