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FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
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Wenn der Mensch am Steuer eines sehr schnell fahrenden Kraftwagens sitzt, wenn er scharfe Flugbälle placiert oder ein Florett führt, hat er in einem kleinsten Zeitraum u. mit einer Schnelligkeit, wie sie im bürgerlichen Leben sonst nirgends vorkommt, so viele genau auf einander abgestimmte Akte der Bewegung u. Auf- merksamkeit auszuführen, daß es ganz unmöglich wird, sie mit dem Bewußtsein zu beaufsichtigen.304 Vordergründig attackiert Musil die Muskelkraftaposteln und deren katarakt- gleiches Leistungs- und Optimierungsgerede. Der fokussierte Blick auf das Boxen eröffnet ihm jedoch neue Spielräume im Diskursiven: Boxen, erkennt Musil, ist nicht allein Resultat offenkundiger Körpermechaniken, die den Kor- pus als Biomasse ohne Geheimnis definieren; Boxen resultiert aus der Zusam- menschau und dem Zusammenspiel körperlicher, geistiger, kontemplativer und ekstatischer Momente. Im Boxen finden sich die Signifikanten von Musils er- weiterter Sportreflexion veranschaulicht – Boxer enthemmen und kontrollieren sich zugleich. Sie reagieren in bisweilen fast blitzartiger Weise auf sich ständig wechselnde Ringsituationen, in undurchsichtiger Mischung von körperlichem Reflex und alarmierter Geistesgegenwart. Boxer setzen ihre Leistungsschwelle jenseits aller nachvollziehbaren Steigerungslogik hinauf; erstklassige Athleten sind imstande, letzte Kraftreserven zu mobilisieren, sehen sie ein Wanken oder eine Lücke in der Verteidigung des Gegners aufblitzen – aber auch körperlich leistungsfähige Boxer können Reaktion und Reflex qua Einübung von Selbst- disziplin, Bewegungs-, Abwehr- und eben Reflex- und Reaktionsabläufen nur behelfsmäßig trainieren. Der Lucky Punch lässt sich nicht wegtrainieren. Sportkräfte: Augenblick, Erlebnis, Entfesselung In den Leibpanzern der Boxer, entledigt von sportlichen Automatismen, bil- den sich Risse: In seinen Schriften nähert sich Musil diesen Paradoxa des Bo- xens. An der boxerischen Sekundenwirklichkeit, die nicht restlos kalkulierbar scheint, zeigt sich Musil dabei ebenso interessiert wie an der boxerischen Au- genblickserfahrung, der Erlebnisbezogenheit, den geistigen Entfesselungsmög- lichkeiten und dem körperlich Ungebärdigem dieses Sports, jene vier aufein- ander bezogenen Sphären, von denen keine ohne die Katalysatorwirkung der anderen vorstellbar ist. Musils Faszination für das Boxen liegt unter anderem im „nicht voraussehbaren Augenblick“305 begründet. „Damit beschreibt Musil eine Möglichkeit des Sports, die er allerdings schon im Prozess der Entstehung 304 Musil 1978e, S. 793 305 Fleig 2008, S. 94 339 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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