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Nach 1918
FAUST UND GEIST - Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Seite - 383 -
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Er hätte sofort zurückprallen müssen, als fürchte er sich, und dabei fest mit dem Rücken gegen den Kerl stoßen, der hinter ihn getreten war, oder mit dem Ellen- bogen gegen seinen Magen, und noch im selben Augenblick trachten müssen, zu entwischen, denn gegen drei starke Männer gibt es kein Kämpfen.673 In die von grober Unsportlichkeit und Aggressivität geprägte Faustschlägerei gerät Ulrich unversehens; die antrainierte boxerische Geläufigkeit versagt ihm angesichts der speziellen Präsenz der Widersacher; auf boxsportliche Regeln und Ordnungen kann er, wie oben dargestellt, nicht zurückgreifen.674 Boxen stilisiert Musil nicht zu einem Vehikel inszenatorischer Sportlichkeit. Sport sei roh, bekennt Ulrich. „Man könne sagen, der Niederschlag eines feinst verteilten, allgemeinen Hasses, der in Kampfspielen abgeleitet wird“675. Für den Hobbyath- leten endet die boxsportliche Bewährungsprobe in aller ironischen Konsequenz mit einem groben Knock-out. Musil benutzt Ulrichs Kampf nicht als „darwi- nistische Lebensmetapher“676. Er schickt Ulrich in den Kampf entsprechend einer „Aufgabe, die […] gelöst werden soll, noch bevor sich sagen lässt, warum sie gelöst werden soll“677. Anne Fleig hat darauf hingewiesen, dass der Überfall auf Ulrich mit dessen aggressiver „Einstellung zum Leben“678 korrespondiere. Als ein „Ritter des modernen Lebens“679 interpretiere er die nächtliche Attacke deshalb auch als ein „Vorkommnis des modernen Lebens“680: Als er wieder erwachte, überzeugte er sich, daß seine Verletzungen nicht bedeutend waren, und dachte noch einmal über sein Erlebnis nach. Eine Schlägerei hinterläßt immer einen unangenehmen Nachgeschmack, sozusagen von voreiliger Vertrau- lichkeit, und unabhängig davon, daß er der Angegriffene war, hatte Ulrich das Gefühl, sich unpassend betragen zu haben. Aber unpassend wozu?! Dicht neben den Straßen, wo alle dreihundert Schritte ein Schutzmann den geringsten Verstoß gegen die Ordnung ahndet, liegen andere, die die gleiche Kraft und Gesinnung fordern wie ein Urwald. Die Menschheit erzeugt Bibeln und Gewehre, Tuberku- lose und Tuberkulin. Sie ist demokratisch mit Königen und Adel; baut Kirchen und gegen die Kirchen wieder Universitäten; macht Klöster zu Kasernen, aber teilt den Kasernen Feldgeistliche zu. Natürlich liefert sie auch den Strolchen mit Blei 673 Ebd., S. 25f 674 Vgl. ebd., S. 26 675 Ebd., S. 29 676 Müller 2004, S. 123 677 Ebd. (Hervorh. im Orig.) 678 Fleig 2008, S. 226 679 Ebd. 680 Ebd., S. 267 383 Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens  |
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FAUST UND GEIST Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Titel
FAUST UND GEIST
Untertitel
Literatur und Boxen zwischen den Weltkriegen
Autor
Wolfgang Paterno
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2018
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20545-6
Abmessungen
16.1 x 25.5 cm
Seiten
446
Schlagwörter
Literature, Sport, Boxing, Weimar Republic, Cultural Studies, Literatur, Sport, Boxen, Weimarer Republik, Kullturhistorie
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundlagen 15
  2. Kritikpunkte: Propagierungsmaschinerie 21
  3. Fokussierung: Recherchewege und Kapitelüberblick 29
  4. Vorstellung der Methode: Dispositiver Gefechtsraum 32
  5. Forschungsberichte: Lückenhafte Spurenlage 45
  6. Haupt- und Nebenschauplätze: Epochensymptom 53
  7. Ringfeldsichtung 113
  8. Kraft- und Körperkulte: Boxsport-Mode im Unterhaltungsroman 118
  9. Box-Demontage: Faustkampf in der elaborierten Erzählliteratur 160
  10. „Zeitfigur“ im Ring: Brechts Diskurserweiterungen 237
  11. Primat der Reflexion: Musils Reorganisation des Boxens 304
  12. ZUSAMMENFASSUNG 389
  13. ANHANG
  14. Bibliografie 402
  15. Bildnachweis 438
  16. Dank 439
  17. Namensregister 440
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