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Theater 667
sprechende griechische Namen für den Verstand, den Glauben und den Menschen
stehen. Die „nachdenkende Seele“ (anima meditans) und der „erleuchtende Genius
des Glaubens“ (genius fidei illuminans) liefern eine Gesangseinlage.
Eine Vorrede an die Sodalen (die ebenfalls erhaltene Perioche bringt hier eine ausführli-
chere Version als der Spieltext selbst) erklärt den Zweck, den Aufbau und den Sinn der
Meditation : Man soll nichts Lustiges und keinen szenischen Firlefanz erwarten. Der
fructus meditationis („Ertrag der Meditation“) liege einzig und allein im Emotionalen :
Der erste Punkt – die einzelnen Abschnitte der Meditationsdramen werden oft punctum
(„Punkt“) genannt, was wieder auf die Geistlichen Übungen zurückgeht – soll die Liebe
Christi zu den Menschen evozieren, der zweite Punkt den Schmerz über die von den Men-
schen verschuldete Kreuzigung Christi. Es soll gezeigt werden, dass die Liebe zu Christi
ohne Schmerz flach ist. Eine musikalische Einlage wird den Gefühlsumschwung von Liebe
zu Schmerz bringen. Es treten abstrakte Figuren auf, weil diese dem Zweck am besten
dienen.
1. Punkt : P(istonius) belehrt A(nthropus) in Frage und Antwort über das Ausmaß des
Leidens Christi für den Menschen ; Betroffenheit und Zerknirschung bei A. (1). A. erwägt
die Größe des Opfers Christi (2). S(ynesius) macht gegenüber A. das Opfer Christi mit
Verstandesargumenten noch eindrucksvoller (3). A. begreift das Ausmaß der Liebe Christi
und drückt seine eigene Liebe zu ihm überschwänglich aus (4 ; z.T. drastisch : O ut possem
te, Amor meus, ut possem te digne amare ! Confige amoris clavo cor meum et Cruci affige, ne
unquam a te avellatur. „O könnte ich dich, meine Liebe, könnte ich dich nur würdig lie-
ben ! Durchbohre mein Herz mit dem Nagel der Liebe und schlag mich ans Kreuz, damit
ich niemals von dir losgerissen werde !“). P. und S.
bringen A. wieder auf den Boden zurück
und erklären ihm, dass er die Liebe Christi noch nicht voll versteht (5).
Musikalisches Zwischenspiel : Die Seele schwärmt in einer Arietta von ihrer Liebe ; der
erleuchtende Genius des Glaubens kommt dazu und weist sie im Duett zurecht („Anima :
Amoris hoc incendium, / Quo flagrat cor tenerrimum, / Tu ausis condemnare ? – Genus fidei :
Amoris ignem fatuum / Dolore dico vacuum ; / Non possum hunc probare. „Seele : Diesen
Brand der Liebe, mit dem mein zartestes Herz lodert, wagst du zu verurteilen ? – Genius
des Glaubens : Das Feuer der Liebe, das des Schmerzes entbehrt, nenne ich töricht ; das
kann ich nicht gutheißen.“) ; Der Genius weist die Seele auf die auf der Bühne sichtbare
Darstellung der sieben Todsünden und der Instrumente hin, mit denen Christus gefoltert
wurde ; die Seele begreift den Sinn des Schmerzes und singt davon in einer Arie ; am Ende
singen beide d’accord.
2. Punkt : A. glaubt, endlich zu verstehen : Die Juden haben Christus gekreuzigt ; P.
verunsichert ihn mit dem Argument, dass auch A. Christus gekreuzigt hat, da Christus ja
auch die zukünftigen Sünden der Menschen gesühnt hat (6). A. bedenkt dies und hofft,
dass P. nur metaphorisch gesprochen hat ; er hegt aber Zweifel (7). S. überzeugt A. in
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322