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676 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
zwei Fassungen auf den Boden einer familiären Tragödie zurückholt : Ah, filiae cum patre iam liceat
mori ! („Ach, möge es der Tochter jetzt vergönnt sein, mit dem Vater zu sterben !“)
Die Spannung in den Akten wird sorgfältig mit Nebenhandlungen aufgebaut,
wie z.B. den Diskussionen der beiden griechischen Gesandten, die aus Athen und
Sparta kommen, was sich in einer toleranteren Haltung des Atheners und einer
radikalen des Spartaners niederschlägt (II,1 ; III,1). Ganz kurze Zwischenszenen
beleuchten den emotionalen Eindruck, den ein Vorfall auf eine Person gemacht hat,
und leiten zu neuen Handlungsteilen über (z.B. I,6 : Themistokles’ in fünf Zeilen
zum Ausdruck gebrachte Verwunderung über die Haltung der Gesandten). Starke
Überraschungsmomente werden von originellen Motiven und sprachlichen Bildern
begleitet, so z.B. wenn Artaxerxes in II,6 die Gesandten düpiert und Themisto-
kles mit dem persischen Heer 100000 ‚Rechtsanwälte‘ für seinen Prozess in Athen
mitgibt : Utque agere possis fortius causam tuam, / Tibi advocatos addo, centum millia
/ Quae te sequentur capita. („Und damit du deinen Prozess besser führen kannst,
gebe ich dir 100000 Köpfe, die dir folgen werden, als Rechtsanwälte bei.“) Auch
Themistokles’ Sühne durch „griechisches Blut“ und das oben zitierte zweideutige
Orakel könnte man in diesem Zusammenhang nennen. Das Stück beachtet die
Einheiten von Zeit, Ort und Handlung, was laut Claus’ Anmerkungen (247–248)
zu einer vielleicht unrealistischen Anhäufung von Aktion an einem einzigen Tag
führt. Doch müsse man sich das so vorstellen, dass vieles schon vorher gärte und
vorbereitet wurde und nun in einem Krisenmoment zum Ausbruch komme. Der
Themistocles ist in einem klaren, leicht fasslichen jambischen Trimeter verfasst, auf
dessen Vorteile für das Verständnis Claus ausdrücklich hinweist : Seine Stücke seien
schließlich für den Zuschauer und nicht für den Leser geschrieben. Außerdem
komme durch das schlichte Versmaß Realismus ins Geschehen, weil die auftreten-
den Personen ja nicht selbst Dichter seien.
Ein Vergleich des gedruckten Spieltextes und der Perioche zeigt allerdings, dass
der Themistocles in einer vom Lesetext abweichenden Fassung auf die Bühne kam.
Am auffälligsten ist die Hinzufügung – oder vielmehr spätere Wegnahme – einer
gesungenen allegorischen Parallelhandlung :
In einem Prolog zürnt der Kriegsgott Mars Griechenland wegen der Verbannung seines
Helden Themistokles. Er will Griechenland durch Persien zerstören, doch Amor Patriae,
die Personifikation der Vaterlandsliebe gelobt, das zu verhindern. Ein Chor nach dem
zweiten Akt zeigt die Furcht Griechenlands vor einem bevorstehenden Krieg. Griechen-
land sucht vergeblich Hilfe bei Minerva, Apollo und Diana. Ein – wohl als lustiges Zwi-
schenspiel anzusehender – Tanz nach dem dritten Akt stellt ein für die Griechen – wahr-
scheinlich gerade die am persischen Hof anwesenden Gesandten – zubereitetes persisches
Frühstück dar (ientactulum Persicum Graecis instructum). Schließlich söhnt in einem Chor
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322