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678 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Affirmation
oder Kritik ? republikanischen Staates wird ausdrĂĽcklich ĂĽber die des genealogisch definierten
Hauses gestellt. Das scheint im Habsburgerreich doch eine zumindest nicht ganz
unproblematische Idee zu sein. Noch auffälliger wird dieser Republikanismus in
einer Gruppe von drei Dramen, die gleichzeitig das Ende der Innsbrucker Herbst-
spiele markieren. 1761 und 1763 wurden die Spiele Cicero exul („Cicero im Exil“ ;
Valentin 1, Nr. 6998) und Cicero redux („Ciceros Rückkehr“ ; Valentin 1, Nr. 7142 ;
vgl. Abb. 111, 112, 113) aufgefĂĽhrt, in denen Ciceros Exil nach seinem Prozess ge-
gen den Staatsfeind Catilina bzw. seine triumphale RĂĽckkehr nach Rom inszeniert
sind. Dazwischen, 1762, sah man den Caius Iulius Caesar ob ambitum regiae potes-
tatis in senatu occisus („Der wegen seinem Streben nach der Königsmacht im Senat
ermordete Gaius Julius Caesar“ ; Valentin 1, Nr. 7072). Danach gibt es keine Belege
für lat. Herbstspiele mehr. 1764 löste ein von der Wiener Zentralregierung für
alle österreichischen Gymnasien verordneter neuer Lehrplan die bis dahin geltende
Ratio studiorum der Jesuiten ab. Dieser auf NĂĽtzlichkeit und Effizienz pochende
neue Lehrplan verbot ausdrĂĽcklich die AuffĂĽhrung von Schauspielen am Ende des
Schuljahrs.17
Wie ist dieser Republikanismus auf der JesuitenbĂĽhne zu deuten ? Zur Beant-
wortung dieser Frage wäre eine übergreifende Studie zum Thema hilfreich, die es
leider nicht gibt. Grundsätzlich lässt sich für die Innsbrucker Dramen zur römi-
schen Republik das paradoxe Claus’sche Interpretationsmuster adaptieren : Die
republikanischen Helden affirmieren qua Helden und FĂĽhrergestalten die Mo-
narchie. Man könnte sich auch denken, dass die römische Republik eine – wiede-
rum etwas paradoxe – Metapher für die aufgeklärte Monarchie darstellen soll, in
der sich der Monarch als aufopferungsvoller Diener des Volks versteht. Gerade die
höchst auffällige Dreiergruppe von republikanischen Dramen unmittelbar vor dem
staatlichen Verbot der Schulschlussaufführungen lässt aber auch an eine andere,
weniger harmonische Interpretation denken. Ihr geschichtlicher Hintergrund wäre
der Konflikt zwischen den Jesuiten und dem Staat, welcher der EinfĂĽhrung des
neuen Lehrplans in Ă–sterreich vorausging. Seit den 1730er-Jahren hatte die Wiener
Zentralregierung zahlreiche Vorschläge zur Reformierung der Gymnasien im Sinn
eines aufklärerischen Utilitarismus und zu ihrer Eingliederung in den Staatsapparat
formuliert (Grimm 1987, 245–346 ; Lechner 1907–1914, 190–196). Dem Staat
17 Es handelt sich um die von Giovanni Battista de Gaspari konzipierte Instructio pro scholis humani-
oribus („Anweisung für die humanistischen Schulen“). Sie ist mit deutscher Übersetzung abge-
druckt bei Engelbrecht 1982–1988, Bd. 3, 467–482, hier 477–478 : Sub anni finem exulabunt
comoediae omnes atque spectacula. Sed earum loco oratio de utili quodam argumento et carmina a
rhe to ribus et poetis praelegentur. („Gegen Ende des Jahres werden alle Komödien und Schauspiele
verbannt sein. An ihrer Stelle aber werden eine Rede ĂĽber ein nĂĽtzliches Thema und Gedichte von
den Studenten der Rhetorik und Poesie vorgelesen werden.“) Vgl. Lechner 1907–1914, 94–95.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322