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680 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
die Endzeit
(1764–1773)
Erfolg letzten aufgeführten auch als ein Symptom der Entzweiung zwischen den Jesuiten
und der österreichischen Monarchie sehen. Der 1761 und 1763 aufgeführte Cicero
ist schließlich nicht nur ein politischer Held, sondern auch ein Held der lat. Elo-
quenz, die das Herz des jesuitischen Bildungssystems und Theaterbetriebs war. Dass
sich die Jesuiten angesichts der politischen Umstände wie Cicero verbannt fühlten
und auf eine glorreiche Rückkehr hofften, scheint ein naheliegender Gedanke.18
Man beachte auch die allegorische Nebenhandlung im Cicero-Drama von 1763,
in welcher der Künstlergott Apollo – wie Cicero eine potenzielle Allegorie für das
Schultheater – aus dem Olymp verbannt und am Ende wieder aufgenommen wird.
Vielleicht nützten die Regisseure dieser Dramen auch gerade die Ambivalenz, die
durch eine grundsätzlich auch denkbare staatsfreundlichere Interpretation möglich
wurde.
Durch die oben skizzierte Entwicklung endet die Geschichte des lat. Herbstspiels
in Österreich zehn Jahre früher als auf anderen deutschsprachigen Jesuitenbühnen.
Das heißt nicht, dass das Theaterspielen im Innsbrucker Jesuitengymnasium ein-
gestellt wurde. Offenbar aus der Not heraus kam es zu einer ganzen Reihe von dra-
maturgischen Experimenten : Oratorien in der Jesuitenkirche, Meditationsspiele,
bürgerliche Lustspiele im Fasching. Der Großteil dieser Produktion ist aber nun in
deutscher Sprache, lat. sind nur mehr die Meditationsspiele der marianischen Kon-
gregationen, die sich, wie schon erwähnt, noch einige Jahrzehnte nach der päpstli-
chen Aufhebung des Jesuitenordens 1773 fortsetzen.
Das Jesuitendrama des späten 17. und des 18. Jhs. wird von der Forschung einer-
seits bis heute kaum beachtet, andererseits als Periode des Verfalls und des Schwun-
des gebrandmarkt. Das eine ist dabei mit dem anderen in einem Teufelskreis ver-
bunden : Die Forschung schenkt dem späten Jesuitendrama wenig Beachtung, weil
es als irrelevant gilt ; und es gilt als irrelevant, weil es von der Forschung nicht
beachtet wird. Gerade das Jesuitentheater in Innsbruck kann hier ein Korrektiv
bieten. Die Begeisterung von Darstellern, Regisseuren und Publikum war im Inns-
brucker Jesuitendrama des 18. Jhs. ungebrochen groß. Es zog sich keineswegs in die
Klassenzimmer zurück, wie in Übersichtsdarstellungen oft zu lesen,19 sondern tat
18 Cicero ist grundsätzlich ein seltener Protagonist auf der Jesuitenbühne. Nirgends außer in Inns-
bruck hat er mehr als ein Drama bekommen (Valentin 1, Nr. 821 : Cicero Triumphans, „Der trium-
phierende Cicero“ ; Ingolstadt 1619 ; Valentin 1, Nr. 5454 : Marcus Tullius Cicero, Fribourg 1741 ;
Valentin 1, Nr. 6018 : M.T. Cicero pro patria exul, „M.T. Cicero geht fürs Vaterland ins Exil“ ;
München 1748 ; Valentin 1, Nr. 6553 : M.T. Cicero exul spontaneus, „M.T. Cicero geht freiwillig ins
Exil“ ; Augsburg 1755). Obwohl sein Exil öfter dargestellt wurde, kommt er nur in Innsbruck nach
Italien zurück.
19 Vgl. Wimmer 2000, 197 : „Bei den Autoren, die ganz ins 18. Jh. gehören […], zieht sich das Jesui-
tendrama dann völlig in die Schule bzw. in die Kongregationen zurück.“
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322