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Theater 683
Rhetorica
her als Spielstätte diente. Die stoffliche und formale Palette seiner Stücke ist au-
ßerordentlich breit und spiegelt die Möglichkeiten des Jesuitendramas vom 16. bis
zum 18. Jh. wider (vgl. Mutschlechner 1975/76, 43–44) : Neben Heiligenlegenden
(z.B. Sanctus Ingenuinus, über den in Brixen verehrten Bischof Ingenuin von Säben ;
1749) stehen christliche Historiendramen (z.B. Constantinus ; 1757), antike Stoffe
(z.B. Agamemnon ; 1750) und selbstreferentielle Schulkomödien (Rhetorica ; 1751 ;
Praemia Aureliani ; 1753). Über die bei den Jesuiten anzutreffende Sprachmischung
hinaus geht die Verwendung der Muttersprache : Manche Dramen sind ausschließ-
lich lat., manche haben deutsche Chöre, zwei (Adiatorix ; 1752 ; Jesus Gondarenus ;
1759) sind aber auch bis auf lat. Chöre ganz in deutscher Sprache verfasst. Reschs
skrupulös-gelehrte Art ist oft an einem umfänglichen Quellenapparat, zahlreichen
szenischen Anmerkungen und metadramatischen Gedanken zum Aufbau der Stü-
cke in einer vorangestellten oeconomia dramatis („Ökonomie des Dramas“) erkenn-
bar. In den späteren Dramen ist eine Anlehnung an die Prinzipien Gottscheds und
des französischen Klassizismus zu erkennen – auch das in Übereinstimmung mit
der Jesuitendramatik des 18. Jhs.
Die 1751 und 1753 aufgeführten und den Schulbetrieb selbst zum Thema ma-
chenden Stücke seien hier besonders hervorgehoben, weil sie einen Einblick in die
damaligen Brixner Verhältnisse ermöglichen, vor originellen Ideen strotzen und
auch gute Beispiele für die ausgeprägte Mischung zwischen Lat. und Volkssprache(n)
bieten. Der volle Titel des Stücks von 1751 lautet Rhetorica locum invenit in locis
rhetoricis („Die Rhetorik findet einen Platz in den rhetorischen Gemeinplätzen“ ;
SEM, F 17).
Die Brixner Rhetorik ist wegen ausstehender Gehaltszahlungen in schweren Geldnöten.
Sie glaubt nicht mehr an menschliche Hilfe und bittet deshalb verschiedene Götter um
Unterstützung. Als ihr auch an dieser Front kein Erfolg beschieden ist, findet sie schließ-
lich, von allen verlassen, Zuflucht in den rhetorischen Gemeinplätzen.
Hintergrund des kleinen Einakters sind Reschs Bemühungen, das Brixner Gym-
nasium um die bis dahin fehlenden Klassen der Poesie und der Rhetorik zu er-
weitern, was für Erstere 1748 und für Letztere 1750 gelang. Das Drama scheint
eine Allegorie auf die Verhandlungen Reschs mit verschiedenen Brixner Instituti-
onen und Personen zu sein, um Geld für dieses Unternehmen aufzutreiben. Das
klarste Indiz dafür ist eine dem Personenverzeichnis beigegebene clavis personarum
(„Personenschlüssel“), in der einige der Götter als reale Institutionen oder Personen
identifiziert werden. So ist z.B. Neptun der Brixner Magistrat und Mammon, der
Gott des Geldes höchstpersönlich, ein Vertreter der reichen Brixner Familie Peisser.
Die Grobheit, mit der die Götter verspottet und bloßgestellt werden, lässt an einer
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322