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686 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Pastor bonus drei Dramen besteht ausschließlich aus der mehr oder weniger freien Montage von
Bibelzitaten, was die Ausdrucksmöglichkeiten limitiert, gleichzeitig aber eine lite-
rarische Herausforderung darstellt, die Resch virtuos meistert. Dass er darin eine
besondere Leistung sah, geht aus dem Fußnotenapparat des Drucks hervor, in dem
jedes einzelne Zitat nachgewiesen ist. Der Text der gesungenen Abschnitte dagegen
ist frei erfunden und gewährt dem Zuschauer eine ästhetische Erholung von der
intellektuell anspruchsvollen Entschlüsselung der Bibelzitate.
Hier sei das mittlere Drama namens Pastor bonus („Guter Hirte“) kurz bespro-
chen, weil es eine reizvolle Kreuzung zwischen dem Meditationsspiel jesuitischer
Prägung und der an den Tiroler Bischofssitzen in dieser Periode beliebten buko-
lisch-geistlichen Panegyrik darstellt (vgl. hier S. 632–636). Letztere ist ihrerseits
wieder von der seit der Spätantike bekannten christlichen Hirtendichtung (z.B.
von Endelechius, Pomponius, Paulinus von Nola) bzw. der bewussten Vermi-
schung christlicher Allegorien (wie Jesus als dem guten Hirten) mit heidnischer
Bukolik angeregt (vgl. Schmid 1954 ; Engemann 1991). Der Pastor bonus wurde
zur Konsekration des Fürstbischofs Leopold von Spaur (reg. 1747–1778) vor die-
sem und den für den Festakt versammelten Ehrengästen aufgeführt. Aus der von
Franz Anton Sinnacher (1821–1835, Bd. 9, 567–568) gelieferten Beschreibung,
die sich auf Reschs Tagebuch stützt, geht hervor, dass sich Resch von der Auffüh-
rung u.a. auch das Wohlwollen der hohen Gäste für sein Gymnasium erhoffte. Das
Stück dramatisiert das in Lk 15,4–7 gegebene Gleichnis vom verlorenen Schaf. Es
treten drei Hirten auf, deren Namen Vergils Eklogen entnommen sind : Daphnis
ist der gute Hirte, in dem sich auch der neue Brixner Oberhirte wiedererkennen
soll. Im Rahmen des Dramas ist er allerdings eine Allegorie für Jesus, der dem ver-
lorenen Schaf, d.h. dem sündigen Menschen nachgeht. Mit Daphnis kontrastieren
die zwei pflichtvergessenen, bloß gedungenen Hirten Tityrus und Melibaeus. Der
Gegenspieler des guten Hirten ist Natas, ein Ananym für Satan. Dieser wird unter-
stützt von den animalischen Figuren Tragonomus („Böckeweider“) und Aegocerus
(„Steinbock“). Weiters treten die Engel Leachim (Michael) und Azarias (bekannt
aus dem biblischen Buch Tobit) sowie in den musikalischen Einlagen Christus und
die Seele des Menschen auf.
1. Akt : Daphnis und seine Kollegen Tityrus und Melibaeus kümmern sich vorbildlich
um die Herde. Daphnis wird von Leachim und Azarias mit einem bösen Vorzeichen er-
schreckt. 2. Akt : Natas verschwört sich mit Tragonomus und Aegocerus gegen die Schäf-
lein. Chorus musicus 1 : Christus sucht die verlorene Seele, die ihm als Echo antwortet. 3.
Akt : Daphnis sucht das hundertste Schaf. Natas hilft ihm zum Schein, rüstet sich aber
tatsächlich mit den Seinen gegen Daphnis und das verlorene Schaf. 4. Akt : Daphnis grämt
sich über das verlorene Schaf. Er wird von Tityrus getröstet, gerät aber durch dauernde
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322