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790 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
formationen in dieser Epoche erfolgte. Ein wichtiger Faktor dabei war offensichtlich
ein intensives Networking, das auf verschiedenen Ebenen wirksam wurde. Die Brief-
partner tauschen sich z.B. darüber aus, auf welchem Weg und über welche Mittels-
personen – in diesem Fall Rorschacher Kaufleute, die auf der Rückkehr vom Bozner
Markt waren – eine Büchersendung am besten nach St. Gallen gelangen könne. Noch
zentraler aber sind andere Beziehungsfelder : So verweist Roschmann wiederholt dar-
auf, wie eng seine Kontakte zu den Benediktinern sind. Ein besonderes Gewicht ver-
leiht er dabei seiner Ehrenmitgliedschaft in der bayerischen Benediktiner-Akademie.
Die Beharrlichkeit, mit der er diese Verbindungen ins Spiel bringt, wird verständlich,
wenn wir die persönliche Situation Roschmanns berücksichtigen, dessen Studien im
mit Büchern notorisch unterversorgten Tirol immer wieder auf Hindernisse stießen
und auf Hilfe von außen angewiesen waren. Aus dieser Notlage heraus erklärt sich
auch die breite Palette an Argumentationsstrategien, mit denen er sich das Wohlwol-
len Kolbs sichern will. Sie reicht von geistreichen Komplimenten – vgl. z.B. Brief 6 :
et si quid dubii occurrerit, oraculum consulam, non mendace [sic] illud Delphicum, sed
veracissimum ac eruditissimum San-Gallense, Kolbium meum („Und wenn ich auf eine
Unklarheit stoße, werde ich ein Orakel befragen, nicht jenes verlogene in Delphi,
sondern das in St. Gallen, das immer die Wahrheit sagt und durch seine Bildung
glänzt, meinen Kolb“) – bis zu mehr oder weniger deutlichen Versprechungen, sei-
nem Briefpartner durch namentliche Erwähnung in seinen Werken ein bleibendes
Andenken zu schaffen. Gerade dieses Argument war jedoch nicht unproblematisch,
da Roschmann bei der Publikation seiner Schriften immer wieder auf Schwierigkei-
ten stieß und nur wenige seiner zahlreichen Werke zum Druck brachte. Also musste
er gleichzeitig – z.B. mit einem Verweis auf die infolge von Kriegswirren unsichere
ökonomische Situation – erklären, warum bisher noch nicht so viel von ihm erschie-
nen war, oder eine baldige Veröffentlichung neuer Werke wahrscheinlich machen.
Ähnliches gilt auch für das Thema Bücherspenden : Roschmann konnte sich ausrech-
nen, dass ihm der Bibliothekar bei seinen Recherchen auch deshalb zu Diensten sein
werde, weil er sich dadurch ein paar unentgeltliche Neuzugänge für seinen Bestand
erhoffte. Dies bedeutete, dass er auch hier in die Trickkiste greifen musste : So schickt
er ihm mit dem fünften Brief die Acta Sanctae Notburgae ancillae virginis („Leben der
Hl. Notburga, der jungfräulichen Magd“). Herausgeber des Werkes war der Bollan-
dist Johannes Perierus (vgl. hier S. 750). Der Tiroler Gelehrte hatte zwar wichtige
Beiträge geleistet, den Text jedoch nicht zur Gänze verfasst (s. Schaffenrath 2001).
Dennoch tut er Kolb gegenüber so, als würde es sich um ein eigenes Werk handeln,
indem er die „Lebensbeschreibungen […] als neulich von mir publiziert“ (Actorum
[…] abs me nuper publica luce donatorum) bezeichnet und den Briefpartner dazu
einlädt, sie in der Bibliothek „zusammen mit seinen übrigen Werklein aufzustellen“
(inter reliqua mea opuscula collocare).
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322