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812 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Lebensnähe
Banholzer,
Sermones breves
Rationalismus :
sermo 65 Folgekapitel (S. 124–145) beantwortet werden : alle nur denkbaren Sünden (dargeboten in
einer langen Liste nach dem Kirchenvater Salvian aus dem 5. Jh.) ; und sehr sündig. Kap.
6 (S. 145–157) schließt aus dem Dargelegten folgerichtig, was schon zu Beginn postuliert
worden ist : Man höre auf zu sündigen, dann wird auch alles Elend ein Ende haben.
Obwohl die Cassandra sich theologisch auf bescheidenem Niveau bewegt, verdient
sie aufgrund ihrer Nähe zu Alltagsleben und Politik um 1700 durchaus Aufmerk-
samkeit. Vor allem mit ihren Aufzählungen der verschiedenen Formen von Un-
glück, die die Menschen betreffen können, sowie der im Schwange befindlichen
Sünden stellt sie eine interessante kultur- und mentalitätsgeschichtliche Quelle dar.
Johann Banholzer SJ (1645–1725) konzentrierte sich innerhalb seiner reichen
schriftstellerischen Tätigkeit besonders auf den Bereich der Homiletik. Wiewohl in
Konstanz geboren, in Bayern ausgebildet und später vornehmlich ebendort tätig,
verdient er auch in einer Tiroler Literaturgeschichte Beachtung : Er lehrte 1687/88
in Innsbruck spekulative Theologie (Probst 1869, 379), und seine rund 700 Seiten
umfassenden Sermones breves de officio hominis Christiani et Mariani clientis („Kurze
Predigten über die Pflichten eines Christen und Dieners Marias“) erschienen 1715
ebendort im Druck. Voran geht den 100 sermones ein kurzes Widmungsschreiben
an die Gottesmutter persönlich – passenderweise, handelt es sich doch, wie das da-
ran anschließende, ebenfalls kurz gefasste Vorwort an den Leser erklärt, um Predig-
ten, die Banholzer einst vor den akademischen Mitgliedern der Marianischen Kon-
gregation in Ingolstadt gehalten hat, deren praeses („Vorsitzender“) er damals war.
Gedacht sind die Predigten als Materialsammlung und wohl auch – trotz ausführ-
licher Bescheidenheitstopik in Widmung und Vorwort – als Vorbilder für künftige
Prediger : Banholzer betont im Vorwort, er habe sich trotz ständiger Zeitnot um
passende Thematik und reine Latinität bemüht. Der didaktischen Zielsetzung dient
nicht zuletzt ein thematischer Index am Schluss, dem sich wieder laut Vorwort
leicht Themen für diejenigen Sonn- und Feiertage entnehmen lassen, zu denen die
Sammlung keine Predigten enthält (solche gibt es einige, während für die meisten
sogar mehr als eine Ansprache zur Verfügung steht). Die einzelnen Predigten sind
übersichtlich in Paragraphen gegliedert und stehen jeweils unter einem biblischen
Motto, das aber nicht immer das eigentliche Thema angibt, sondern oft nur An-
satzpunkt ist : In ihrer Gesamtheit stehen sie also generisch zwischen Homilie und
sermo (vgl. hier S. 535). Im Folgenden sollen an zwei Beispielen einige Grundzüge
und Schwerpunkte der Sermones breves aufgezeigt werden.
Obwohl Banholzer als Moraltheologe dem für seinen Orden charakteristischen
Probabilismus und damit scholastischer Theologie verpflichtet war (Hurter 4,
1299), sind manche seiner Predigten bereits von einem frühaufklärerisch wirken-
den Rationalismus durchdrungen. Die für den neunten Sonntag vor Ostern vor-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322