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816 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Gnadenstreit :
Annäherung an
die Jesuiten gie. 1736 trat er aus dem Prämonstratenserorden aus und bei den Serviten ein,
wo er den Namen Benignus annahm. Er starb 1747 in Wien (Hurter 4, 1336 ;
Haidacher 1952, 114–117). 1724 publizierte er in Innsbruck nach entsprechenden
Disputationen in Wilten sein zwei starke Bände umfassendes Manuale theologicum
(„Theologisches Handbuch“). Jeder Band ist in 48 quaestiones („Fragen“) gegliedert,
die in Zwölfergruppen vier Themenbereiche abhandeln : Gott, die Engel, Glück-
seligkeit und menschliches Handeln, theologische Tugenden (Bd. 1), Recht und
Gerechtigkeit, Menschwerdung, Sakramente (v.a. Eucharistie), BuĂźe (Bd. 2). Das
Werk enthält zwar kein umfassendes wissenschaftliches System der Glaubenslehre,
präsentiert sich jedoch als solides Kompendium zentraler Fragen (Haidacher 1952,
86 ; 1958, 54). Franck verarbeitet in ihm nach dem Prinzip klassischer Kontrovers-
theologie großzügig fremde, auch konträre Lehrmeinungen und erreicht, stets um
grĂĽndliche Argumentation bemĂĽht, ein hohes theologisches Niveau, das dem Leser
viel abverlangt. Im Folgenden sei exemplarisch jener Passus besprochen, in dem er
zum Gnadenstreit Stellung nimmt.
Dass die in diesem Punkt zu Zeiten Kalchschmidts (s.o.) bestehenden Differen-
zen zwischen Wilten und den Jesuiten mittlerweile weitgehend ĂĽberwunden waren,
zeigt schon von vornherein der Umstand, dass beide Bände hohen prämonstraten-
sischen Würdenträgern gewidmet, aber zugleich von Vertretern der Jesuiten bzw.
der Universität approbiert sind. Franck klärt zunächst das Verhältnis von göttli-
chem Vor auswissen und Prädestination (Bd. 1, quaestio 8, S. 63–81) und bekennt
sich dabei zu der von seinem Orden vormals abgelehnten scientia media (quaestio 9,
S. 81–98) ; diese liege zwischen der simplex intelligentia („einfaches Erkennen [der
möglichen Dinge, unabhängig von ihrer realen Existenz]“) und der visio („Anblick“
[der realen vergangenen, gegenwärtigen und künftigen Dinge]). Wenn es dann um
das Bedeutungsverhältnis zwischen freiem Willen und göttlicher Gnade geht (quaes-
tio 11, S. 114–128), betont er zwar generell die Allmacht Gottes und schätzt die
Möglichkeiten des Menschen zurückhaltend ein, versteht das genannte Begriffspaar
jedoch nicht mehr als antithetisch und nähert sich so wiederum dem jesuitischen
Standpunkt an. Wenn Gott manche Menschen zum Heil erwähle, liege das nicht
an deren Verdiensten, sondern an seinem auf Liebe und Barmherzigkeit beruhen-
den Willen, doch der mögliche Einwand, dann sei es unerheblich, wie der Mensch
handle, sei gegenstandslos, cum Deus non praedestinarit nos, quia eramus sancti, sed ut
essemus (S. 124 ; „da Gott uns nicht zum Heil erwählt hat, weil wir heilig waren, son-
dern damit wir es seien“). Die Ausführungen münden in die Feststellung, die Präde-
stination sei dem BemĂĽhen um ein tugendhaftes Leben nicht hinderlich und stehe
auch nicht im Gegensatz zur menschlichen Freiheit, sondern gebe vielmehr Anlass
zu Hoffnung und demĂĽtigem Gottvertrauen. Die Frage nach dem letzten Grund
von Gottes Entscheidungen solle man sich im Sinn von Röm 11,33 nicht stellen.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322