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818 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
Theologie im
Wandel der gesamten scholastischen Theologie meistdiskutierte Streitfrage“) nennt und der
er entsprechend breiten Raum widmet. Auch hier sind seine Ăśberlegungen diffe-
renzierter als die seiner Vorgänger und lassen, wohl auch als Folge seines souveränen
Ăśberblicks ĂĽber die Literatur, ein gestiegenes Problembewusstsein erkennen. Die
grundsätzliche Bestimmung des Menschen zum Heil steht für ihn fest und wird
durch Verweise auf diverse Quellen theologischer Erkenntnis zusätzlich untermau-
ert. In der Folge geht es zunächst um Modalitäten, Gegenstände und Bedingungen
von Gottes Erkennen, dann wird aus sorgfältigen Überlegungen zur scientia sim-
plicis intelligentiae („Wissen, das in einfachem Verstehen besteht“) bzw. zur scientia
visionis („Wissen, das im Anblick besteht“) die Unabdingbarkeit der scientia media
abgeleitet, wobei die von Franck (s.o.) erläuterte Begrifflichkeit wiederkehrt. Dem
jesuitischen Standpunkt steht Prack noch näher als dieser, besonders die Freiheit
des menschlichen Willens ist ihm sehr wichtig : At nos admittimus scientiam con-
ditionatam seu mediam non ut causam motivam, sed unice ut directivam decretorum
divinorum. (317 ; „Aber wir lassen das bedingte oder vermittelnde Wissen nicht
als bewegende, sondern einzig als richtungsweisende Ursache der göttlichen Rat-
schlüsse zu.“) Dagegen grenzt er sich emphatisch von dem die göttliche Gnade
verabsolutierenden Jansenismus ab, indem er betont, die voluntas beneplaciti (398 ;
„Wille, in dem Geneigtheit zum Ausdruck kommt“) sei mehr als bloße voluntas
signi (402 ; „Wille, der im äußeren Zeichen sichtbar wird“). Bei der Erörterung
des Verhältnisses von göttlicher Vorhersehung und Prädestination ist die entschei-
dende Aussage die, dass der göttliche Wille in einem einmaligen Akt zum Ausdruck
komme und nicht wie das Gewollte selbst dem Gesetz von Ursache und Wirkung
unterliege (418–419). Auf diese Weise schafft sich Prack zusätzliche Argumente für
die scientia media, die ihn die Willensfreiheit nicht nur gegenĂĽber den Thomisten
klarer sehen lassen, sondern auch die weniger radikale Position der Scotisten ent-
kräften, welche laut Prack einen Beschluss Gottes zwischen simplex intelligentia und
freier Willensäußerung des Geschöpfes annehmen, der diese zwar nicht physisch
prädeterminiert, aber doch begleitet (500–501). Wenn in der Prädestinationslehre
schon Kategorien der Kausalität nicht zielführend seien, so Prack weiter, so könnten
selbstverständlich auch zeitliche nicht zur Anwendung kommen : Die Frage, ob die
Prädestination zum Heil vor oder nach dem göttlichen Voraussehen der Verdienste
erfolge, sei daher sinnlos (553). Allerdings sei die Prädestination mit dem Handeln
des Menschen insofern verbunden, als Gott seine Entscheidungen aufgrund der sci-
entia media durch ein von Bedingungen abhängiges Wissen steuere. Dass er hierbei
nicht jedes Detail in Rechnung stelle, gewähre der Willensfreiheit des Menschen
Spielraum und mache dessen Tugendstreben unentbehrlich (565–568).
Wie sich etwa an Grustners Traktat schon ablesen ließ, öffnete sich die Theologie
im 18. Jh. zunehmend dem Rationalismus, während das bisher dominante Inter-
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322