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Theologie und kirchliches Schrifttum 819
Studienordnung
von 1752
Primisser,
Theologia
dogmatica
esse am Spekulativen allmählich zu schwinden begann. In methodischer Hinsicht
wurde sogar bei manchen Jesuiten Kritik am bisherigen der Scholastik verpflich-
teten System laut. So konnte z.B. das von Joseph Fitterer SJ (1695–1780) für die
Mitglieder der von ihm geleiteten Marianischen Akademikerkongregation verfasste
Buch Ars proficiendi in conscientia et scientia („Die Kunst, im Wissen und Gewis-
sen Fortschritte zu machen“ ; Innsbruck 1738) erst nach weitreichenden Eingriffen
veröffentlicht werden, weil es der Zensur zu progressiv war (Mraz 1968, 149–163).
Auch die Aufgliederung des Faches in Teildisziplinen begann man anders zu sehen
als frĂĽher, wofĂĽr gerade die beiden zuletzt besprochenen Werke gute Beispiele dar-
stellen : Franck unterscheidet im Proömium des Manuale (Bd. 1, 1–9) zwischen
natürlich-metaphysischer und übernatürlich-christlicher Theologie und schält des
Weiteren vier Hauptfächer heraus : positive Theologie (Exegese), Moraltheologie
(Kasuistik), Polemik (Kontroverstheologie) und Scholastik (spekulative Theologie).
Eine weitgehend identische Einteilung findet sich in Pracks Praelectiones (2–3).
Praktisch einschneidende Änderungen brachte diesbezüglich dann die neue
Studienordnung von 1752 : Die spekulative Theologie wurde in scholastische (die
schwierigeren Teile wie Lehre von Gott, Menschwerdung, Gnade, theologischen
Tugenden) und dogmatische Theologie (praktische Aspekte wie Sakramente und
Recht) aufgeteilt (Falkner 1969, 77–78). Die Dogmatik im herkömmlichen Sinn
trat zurück, während die vormals von der Moral kaum geschiedene Pastoraltheolo-
gie mit Homiletik und Katechetik ein eigenes Profil gewann. Die Kirchengeschichte
wurde zu einem vollwertigen theologischen Fach (Grabmann 1933, 209). An der
Innsbrucker Universität reagierte man auf diese Neuerungen zunächst allerdings
empört (Falkner 1969, 97).
Aufgeschlossener war man fĂĽr neue Trends andernorts, z.B. in Stams, wo mit Ro-
gerius Sailer (reg. 1742–1766) ein modern denkender Abt den Ton angab. Zu den
Schützlingen, die er tatkräftig förderte, zählte der Vinschgauer Bauernsohn Cassian
Primisser (1735–1771 ; s. hier S.Â
761–763). Da Sailer Wert darauf legte, dass der be-
gabte SchĂĽler sich vor seinem Eintritt ins Stamser Kloster auch theologisch bilden
sollte, schrieb Primisser sozusagen als Leistungsausweis 1754/55 die gut 140 Seiten,
246 dogmata („Lehrsätze“) und 305 Paragraphen umfassende Abhandlung Theolo-
gia dogmatica cum prolegomenis in universam theologiam („Dogmatische Theologie.
Mit Vorbemerkungen zur gesamten Theologie“ ; Stams, Primisser-Nachlass) nieder
und widmete sie dem Abt. Er bekennt sich in diesem Werk zum Gedanken der na-
türlichen Religion, lehnt die scholastisch-spekulative Vorgangsweise ab, nähert sich
der zeittypischen Einteilung der theologischen Subdisziplinen und räumt generell
der Vernunft eine wichtige Rolle ein (vgl. z.B. 2 : Nemo cognoscit et amat nisi rationa-
lis ; „Nur der vernünftig Denkende vermag zu erkennen und zu lieben“). Allerdings
ist er in seinem aufklärungstypischen Ansatz insofern nicht wirklich konsequent, als
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- AbkĂĽrzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322