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Theologie und kirchliches Schrifttum 825
Erkenntnisziel,
Darstellungsform
logie ein markanteres Profil zu entwickeln (HdK 5, 575). Ein frühes Beispiel für
die Behandlung eines spezifisch moraltheologischen Problems, an dem überdies
die damals noch nicht seltene Verbindung von Theologie und Medizin (Vocelka
2001, 264) sichtbar wird, ist eine Schrift des Innsbrucker Medizinprofessors Franz
Friedrich Payr zum Thurn (vgl. hier S. 863), die dieser seinem Studenten Johannes
Joseph Lang bei dessen Doktorpromotion zur Disputation vorlegte und danach,
wie das Titelblatt verrät, applausus loco („anstelle einer Gratulationsschrift“) 1741
in Innsbruck herausgab : die Apologia inter Sarcophibum et Sarcophilum cum crisi
Theophili Veronensis („Verteidigungsrede zwischen Fürchtefleisch und Liebefleisch
samt Entscheidung durch Gottlieb Wahrheitsfreund“).1
Wie man schon aufgrund des Vorwortes erahnen kann, das von der Schwierigkeit
spricht, medizinische und theologische Lehrmeinungen zur fleischlosen Ernährung
miteinander in Einklang zu bringen, geht es Payr darum, die geltenden kirchlichen
Fastengebote einer kritischen Prüfung im Geiste des Rationalismus zu unterziehen.
Um die Sachlage möglichst objektiv darzustellen, so der Autor im Vorwort wei-
ter, habe er sich dafür entschieden, zuerst Sarcophibus als Befürworter kirchlicher
Fastengebote, dann Sarcophilus als ihren Gegner zu Wort kommen zu lassen und
schließlich Theophilus Veronensis als Vertreter eines ausgewogenen Standpunktes
ein Urteil sprechen zu lassen. Der Letztgenannte fungiert also als sein Sprachrohr.
Im Werk selbst vertreten die drei Gestalten zwar unterschiedliche Standpunkte,
gehen aber miteinander ausgesprochen freundlich um, so dass eher der Eindruck
einer amikalen Diskussion als der eines Streitgesprächs entsteht. In dieser Hinsicht
unterscheidet sich die Apologia deutlich von Ferdinand Karl Weinharts ansonsten
ganz ähnlich angelegtem Conflictus medicus (vgl. hier S. 866–868), über den Payr
einige Jahrzehnte zuvor selbst disputiert hatte.
Sarcophibus listet in seiner Rede (Bl. Ar–B4v) zunächst verschiedene Arten des Fastens
auf, wobei er jenen, die theologisch relevant sind, besondere Aufmerksamkeit widmet.
Dabei verweist er jeweils auf den Kreis derer, für die das betreffende Gebot gilt, auf die
Formen, in denen das Fasten zu erfolgen hat, und auf die Personengruppen, die aufgrund
von Krankheit oder aus anderen Gründen davon dispensiert sind. Wichtigster Zweck des
Fastens ist in seinen Augen die maceratio carnis (Bl. Ar ; „Mürbemachen des Fleisches“)
1 Griechische Fremdwörter sind Glücksache, und Payr scheint von Unglück verfolgt : Was eine apo-
logia („Verteidigungsrede“) zwischen zwei Parteien sein soll, ist ebenso unklar wie der Gegenstand
der Verteidigung. Sarcophibus müsste eigentlich Sarcophobus heißen (und selbst dann wäre Payrs
Übersetzung mit osor carnis („Fleischhasser“) in der Vorrede an den Leser noch ungenau). Auch
der Name Veronensis ist seltsam. Der Ausdruck bedeutet gängigerweise „aus Verona“, doch Payr
paraphrasiert ihn, wieder in der Vorrede, mit qui […] soli inhiat veritati („der […] nur nach der
Wahrheit lechzt“), leitet ihn also von verus („wahr“) ab.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322