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842 Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773)
wissenschaftliche
Charakteristik terie befindet. Cur sulphurei spiritus non fuerint nostrorum terraemotuum causa ? („Warum
waren schwefelige Luftzüge nicht die Ursache unserer Erdbeben ?“ ; §
VI) : Feurige Materie
verzehrt sich schnell und kann nicht zu wiederholten Beben führen. Wenn andererseits das
feurige Material regelmäßig ‚nachwachsen‘ würde, müsste es auch regemäßig Beben geben,
was aber nicht der Fall ist. An materia nostrorum terraemotuum fuerint spiritus flatuosi ?
(„Waren wehende Winde der Stoff, aus dem unsere Erdbeben entstanden ?“ ; §
VII) : Ja, was
sich nicht zuletzt aus der negativen Antwort auf die vorigen Fragen ergibt. Quaenam fuer-
int proximae nostrorum terraemotuum dispositiones ? („Von welcher Art waren die direkten
Umstände unserer Erdbeben ?“ ; §
VIII) : Der geologische Aufbau verschiedener Landschaf-
ten begünstigt Erdbeben ; so ist es ja auch mit den Meeresströmungen, die nur in bestimm-
ten Gebieten vorkommen. Ein weiterer Faktor ist der Mond, der das Wehen der unterir-
dischen Winde beeinflusst ; man vergleiche wieder das Meer, dessen Gezeiten vom Mond
hervorgerufen werden. Quinam fuerint terraemotuum nostrorum effectus ? („Was waren die
Auswirkungen unserer Erdbeben ?“ ; §
IX) : Die Schäden des tremor waren beträchtlich : in
Hall blieb kein gemauertes Gebäude unbeschädigt ; viele stürzten ganz oder teilweise ein ;
sieben Personen kamen in den Verschüttungen um ; zwei weitere Opfer gab es im Umland
von Hall. Pulsus richten an sich weniger Schäden an Gebäuden an, doch können sie beson-
ders in Meeresnähe die Erde aufreißen und ganze Städte verschlucken. Das passiert des-
halb, weil das im Meer enthaltene Salz die Gewalt der durch Schwefel und Natron entzün-
deten Winde verstärkt. Quis denique futurus sit nostrorum terraemotuum exitus ? („Wie wird
es mit unseren Erdbeben weitergehen ?“ ; § X) : Die Beben setzen sich zwar nach wie vor
fort, doch sind sie nicht mehr stark, und es sind keine größeren Schäden mehr zu erwar-
ten. Ein so spätes starkes Nachbeben ist in der Literatur nicht belegt. Schon Aristoteles hat
die allmähliche Abschwächung von Nachbeben beschrieben. Das letzte große Erdbeben in
der Region ist hundert Jahre her. Ob man das auch als Richtwert für die Zukunft nehmen
kann, ist ungewiss, denn notitia futurorum philosophi scientiam longe superat („die Kenntnis
der Zukunft übersteigt die Wissenschaft des Philosophen bei Weitem“).
Es folgen die in der Widmungsrede angekündigten Thesen, die aus dem Stoff von Aris-
toteles’ De anima schöpfen. Die erste von 18 Thesen lautet z.B.: Ratio vitae universaliter
constitit in eo, quod aliquid se moveat ab intrinseco per se, et non per accidens. („Das Prinzip
des Lebens besteht allgemein darin, dass sich etwas intrinsisch von sich aus – und nicht
akzidentell – bewegt.“) Den Abschluss bildet ein in alkäischen Strophen verfasstes Gra-
tulationsgedicht der Mitstudenten, in dem der Forschergeist der Respondenten gepriesen
wird.
Auf eine detaillierte wissenschaftsgeschichtliche Einordnung von Manincors Theo-
rien sei hier verzichtet. Grundsätzlich muss man in Rechnung stellen, dass die heute
gültige Erklärung von Erdbeben durch den Zusammenstoß von Kontinentalplatten
und die masselose Fortpflanzung seismischer Wellen sich erst Ende des 18. Jhs.
TYROLIS LATINA
Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol, Band 2
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- TYROLIS LATINA
- Untertitel
- Geschichte der lateinischen Literatur in Tirol
- Band
- 2
- Autoren
- Martin Korenjak
- Florian Schaffenrath
- Lav Šubarić
- Herausgeber
- Karlheinz Töchterle
- Ort
- Wien
- Datum
- 2012
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78868-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 728
- Schlagwörter
- Neo-Latin, Tyrol, History, Literature, Neu-Latein, Tirol, Literatur, Geschichte
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Inhaltsverzeichnis
- Von der Gründung der Universität bis zur Aufhebung des Jesuitenordens (1773) Epochenbild (Lav Šubarić) 610
- Dichtung (Martin Korenjak) 620
- Theater (Stefan Tilg) 660
- Beredsamkeit, Dialog, Rhetorik (Florian Schaffenrath) 701
- Geschichtsschreibung (Lav Šubarić/Florian Schaffenrath/Patrik Kennel) 726
- Biographisches Schrifttum (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 778
- Brief (Wolfgang Kofler) 788
- Sprachdidaktik, Poetik, Philologie (Gabriela Kompatscher/Martin Korenjak) 797
- Theologie und kirchliches Schrifttum (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 807
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 833
- Medizin (Lukas Oberrauch) 862
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne/Erika Kustatscher) 875
- Von der Vertreibung der Jesuiten bis zur Revolution 1848 Epochenbild (Florian Schaffenrath) 909
- Dichtung (Florian Schaffenrath) 918
- Beredsamkeit (Martin Korenjak) 941
- Geschichtsschreibung (Florian Schaffenrath/Erika Kustatscher) 953
- Biographisches Schrifttum (Patrik Kennel/Martin Korenjak) 980
- Brief (Wolfgang Kofler) 989
- Theologie (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 998
- Philosophie und Naturwissenschaft (Stefan Tilg/Martin Korenjak) 1022
- Medizin (Lav Šubarić) 1046
- Rechtswissenschaft (Christine Lehne) 1056
- Von der Revolution 1848 bis heute Epochenbild (Karlheinz Töchterle) 1073
- Dichtung (Stefan Tilg) 1079
- Prosa (Erika Kustatscher/Martin Korenjak) 1109
- Abkürzungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1159
- Bibliothekssiglen (Johanna Luggin) 1161
- Bibliographie (Johanna Luggin) 1162
- Abbildungsverzeichnis (Johanna Luggin) 1265
- Index nominum (Johanna Luggin) 1271
- Index geographicus (Johanna Luggin/Simon Wirthensohn) 1299
- Index rerum (Johanna Luggin) 1310
- Verzeichnis der Autorinnen und Autoren 1322